1. uvd

    uvd streitbare Doula

    Die Frau in ihrer ganzen Kraft sehen

    Dr. Marsden Wagner (Dr. MW) und seine Kritik an der heutigen Geburtshilfe. Der Perinatalmediziner und Gesundheitswissenschaftler aus Kalifornien (USA), der viele Jahre für die WHO tätig war, will schwangere Frauen und Hebammen stärken und ermutigen. Interview mit Katja Baumgarten (KB):


    ------


    KB: Herr Dr. Wagner, Sie kämpfen seit vielen Jahren für eine humane Geburtshilfe auch mit Ihren beiden neuen Büchern Creating Your Birth Plan (= Entwirf deinen Geburtsplan) und Born in the USA (Geboren in den USA), die in den letzten zwei Jahren in den USA erschienen sind. Wovon handeln sie?

    Dr. MW: Beide Bücher sind das Ergebnis meines leidenschaftlichen Anliegens, alles zu tun, um die Schwangerschaft und Geburt zu entmedikalisieren. Nach all den Jahren, in denen ich mich mit der Geburtshilfe auseinandergesetzt habe als praktizierender Arzt, Wissenschaftler und Public-Health-Experte ist mir bewusst geworden, dass dort eine sehr bedenkliche medizinische Entwicklung stattgefunden hat: Sie hat die Mediziner ins Zentrum gestellt und sowohl die schwangere und gebärende Frau als auch die Hebamme an den Rand gedrängt.

    KB: Welche Ursache ist dafür aus Ihrer Sicht verantwortlich?

    Dr. MW: Historisch gesehen ist die Geburt bis vor kurzem immer ein Teil der Frauenwelt gewesen. Dann kamen Männer und haben versucht, dort einzudringen. Sie haben getan, was Männer immer gern machen: kontrollieren. Schon immer haben Männer Angst vor der Macht der Frauen gehabt vor allem davor, dass es die Frau ist, die die Kinder austrägt, die die Macht zur Fortpflanzung hat. Sie wollen die reproduktive Kraft der Frauen in der Hand haben und nehmen ihnen deshalb die Möglichkeit, selbst zu gebären. Mit Medikamenten und anderen Eingriffen hindern sie die Frauen daran, selbst zu gebären und können dann stattdessen ihre eigenen Methoden einsetzen. Dies nimmt der Frau ihre menschliche Würde, gibt ihr das Gefühl, dass sie nicht selbst geboren hat und raubt ihr das Selbstvertrauen, eine gute Frau, Mutter und Mitglied der Gesellschaft zu sein. Wir tragen dazu bei, dass sich die Hälfte der Menschheit unzulänglich fühlt.

    KB: Welche Veränderungen können der Medikalisierung wirksam entgegentreten?

    Dr. MW: Als erstes muss die Frau selbst erkennen, was ihr angetan wird, und sie muss lernen, wie sie die Kontrolle in der Hand behält, bevor sie vom Medizinsystem kontrolliert wird. Mein Buch Creating Your Birth Plan richtet sich an schwangere und gebärende Frauen: Es handelt davon, was eine Geburt wirklich ist und wie die Frau während der Schwangeschaft planen und auswählen kann, was sie sich für ihre Geburt wünscht und was sie nicht möchte. Am Besten gibt sie ihren Plan schon während der Schwangerschaft ihrem Arzt oder ihrer Hebamme, damit sie sich damit einverstanden erklären und ihn unterschreiben können. Wenn sie dann zur Geburt ins Krankenhaus oder Geburtshaus kommt, kann sie sagen: Hier ist mein Plan, so werden wir es machen! Wir humanisieren die Geburt, in dem wir die Frauen informieren und ihnen Mittel in die Hand geben, die es ihnen ermöglichen, die Geburt zu erleben, die sie sich wirklich wünschen: Die Frau behält die Kontrolle, sie steht im Mittelpunkt und es ist ihre Geburt, nicht die der Geburtshelfer oder des Krankenhauses.

    KB: Was geschieht aber, wenn sich während der Geburt die Situation ändert wenn ein sogenanntes Risiko dazu kommt? Das geburtshilfliche Personal kann immer sagen: Der Plan ist zwar gut, aber nicht in dieser Situation.

    Dr. MW: Das ist immer ein Problem. Manchmal wird ein Arzt medizinische Maßnahmen vorschlagen aber wenn die Frau darüber bereits Bescheid weiß, kann sie entsprechende Fragen stellen. Aus Finnland gibt es dazu eine interessante Untersuchung von Elina Hemminki und ihrem Team aus dem Jahre 1990: Die Hälfte der Frauen, die zur Geburt kamen, wurde gebeten, wann immer ihnen eine Maßnahme vorgeschlagen wurde, nachzufragen: Ist das wirklich nötig? Allein dies halbierte die Anzahl der Interventionen! Wenn eine Frau von ihren Wehen und Schmerzen in Anspruch genommen ist, ist es wichtig, dass ihr Partner oder jemand anderes dabei ist, der Fragen stellen kann. Die Frau kann auch, wenn nötig, um eine zweite Meinung bitten was allerdings manche ÄrztInnen verärgert.

    KB: Ist das in einem Krankenhaus mit dem üblichen Schichtdienst machbar?

    Dr. MW: In den meisten Krankenhäusern außer es ist ein sehr kleines Haus gibt es weitere Ärzte, die man fragen kann. Das ist nicht die perfekte Lösung, denn Ärzte neigen dazu, sich gegenseitig zu unterstützen und derselben Meinung zu sein. Aber meistens handelt es sich nicht um einen Notfall in der Regel ist Zeit vorhanden. Die Frau kann dann eine Hebamme oder einen Arzt ihres Vertrauens um Rat fragen. Das sollte meist ausreichen, damit Mediziner einen überflüssigen Eingriff unterlassen.

    KB: Heute hat das Personal im Krankenhaus den Eltern gegenüber oft eine sehr entgegenkommende Haltung und geht zunächst auf ihre Wünsche ein. Wenn während der Geburt eine unvorhergesehene Situation eintritt, wird der Plan der Eltern dann aber häufig aufgegeben und es wird ähnlich dominant vorgegangen wie in früheren Zeiten. Hinterher berichten die Frauen von unglücklichen Geburten, haben aber das Gefühl, es lag an ihnen selbst.

    Dr. MW: In ungefähr zehn Prozent aller Fälle tritt etwas ein, sodass man anders vorgehen muss, als der Plan vorsieht das ist geburtshilfliche Realität, die nicht zu ändern ist. Oft sind es aber auch Interventionen, wie Geburtseinleitungen, die dazu führen, dass so etwas passiert. Tatsächlich hat Deutschland eine sehr viel humanere Geburtshilfe als viele andere Länder und die Hebammen und Frauen haben viel dazu beigetragen. Aber es ist wichtig, dass schwangere Frauen über diese Dinge lesen und nachdenken.

    KB: Wie können Frauen und Kinder unterstützt werden, die zur Hochrisikogruppe gehören?

    Dr. MW: Wenn eine Frau ein medizinisches Problem hat, auch wenn es sehr ernst ist, verlaufen ihre Schwangerschaft oder ihre Geburt trotz alledem zu mindestens 90 Prozent normal. Wir geben allenfalls auf die Spitze von alle dem, was völlig normal funktioniert, ein kleines bisschen dazu, was medizinisch notwendig ist. Aber wir müssen weiterhin hoch achten, was für die Frau normal ist. Gerade wenn eine Geburt sehr pathologisch wird und medizinisch behandelt werden muss, braucht die Frau eine Hebamme, weil sie die Spezialistin für das Normale ist. Ärzte sind Spezialisten für die Pathologie. Aber die Hebamme hat die wichtige Aufgabe, anzuerkennen und zu bewahren, was normal ist und es so human wie möglich zu halten, bei allem was an medizinischen Maßnahmen erforderlich ist.

    KB: Wie meinen Sie das konkret?

    Dr. MW: Falls die Frau einen Kaiserschnitt benötigt und sie eine Lokalanästhesie erhalten hat, so dass sie wach ist, braucht sie ihren Partner an der Seite oder jemand anderen, den sie liebt. Wenn die Ärzte das Kind bei der OP entwickeln, sollte die Hebamme es sofort direkt zur Mutter geben. Die Anwesenheit des Partners oder das Baby der Mutter in den Arm zu legen ist nicht Teil der medizinischen Behandlung, es ist Teil der Humanisierung dieser Geburt. Auch wenn eine Operation notwendig ist, muss die Persönlichkeit der Frau und ihre Familie geachtet werden. Sogar die operativsten Anteile der Geburt sollten so human wie möglich gestaltet werden.

    KB: Hat auch diese Frau die Chance, einen Geburtsplan zu entwerfen?

    Dr. MW: Selbst wenn eine Frau weiß, dass sie einen Kaiserschnitt haben wird, kann sie einen Geburtsplan entwerfen: Sie kann festlegen, wer bei dem Kaiserschnitt dabei sein soll, was mit dem Kind geschehen soll, nachdem es auf die Welt gekommen ist, ob es die ganze Zeit bei ihr bleiben soll. Der Plan beinhaltet auch die Frage, was nach der Geburt geschehen soll. Sie kann das alles immer noch gestalten. Falls es Probleme mit dem Kind gibt und es auf eine spezielle Neugeborenenstation verlegt werden muss, kann der Plan zum Beispiel sagen, dass die Muttermilch abgepumpt und zum Kind gebracht werden soll.

     
  2. uvd

    uvd streitbare Doula

    KB: Warum hat sich in den letzten 25 Jahren so wenig Grundlegendes in der Geburtshilfe verändert, was die Humanisierung betrifft? Ende der 1970er und in den 80er Jahren haben Frauen viel mehr um ihre Ziele gekämpft als heute – woran liegt das?

    Dr. MW: Nun, wenn sie heutzutage nicht mehr so viel kämpfen, warum sind die Verhältnisse dann heute trotzdem besser als früher?

    KB: Vieles erscheint – oberflächlich betrachtet – zwar besser und Frauen kämpfen vielleicht deswegen nicht mehr. Es gibt heute nicht mehr so eine ausgeprägte Konfrontation von Schwangeren und Gebärenden mit dem Personal im Krankenhaus, wie es früher häufig der Fall war. Man trifft sich in der Mitte. Die Frauen werden von Krankenhausbetreibern als Konsumentinnen entgegenkommend behandelt. Am Ende liegt die Geburt aber dann doch in der „Entscheidungsgewalt“ der Mediziner, auch wenn die Frau noch so viele Bücher gelesen hat. Sie ist im Zweifelsfall in der schwächeren Position, denn es gibt immer das Argument „Ihr Kind ist in Gefahr!“

    Dr. MW: Mediziner haben alle Möglichkeiten, Frauen zu ängstigen und zu erschrecken. Aber es ist sehr viel schwieriger, eine Frau zu verängstigen, wenn sie gut informiert und darauf vorbereitet ist.
    Ein weiterer Punkt meines Buches ist die Frage, wer bei der Geburt dabei sein soll. Es könnte der Frau helfen, wenn sie eine Hebamme auswählt, die mit ihrem Plan völlig einverstanden ist. Oder es geht auch um die Frage, wo man sein Baby bekommen möchte: im Krankenhaus, im Geburtshaus oder zu Hause. Mein Buch bietet eine Menge wissenschaftlicher Informationen über diese Wahlmöglichkeit. Beispielsweise ist bei einer Schwangerschaft und Geburt mit geringem Risiko die Hilfe von Hebammen viel sicherer als die von Ärzten. Das Buch zeigt wissenschaftliche Beweise auf, dass eine Geburt in einem von Hebammen geleiteten Geburtshaus eine absolut sichere Wahlmöglichkeit ist. Es stellt auch die Forschungsergebnisse vor, die zeigen, dass eine geplante Hausgeburt ebenso sicher ist, wie ins Krankenhaus zu gehen.

    KB: Was ist die Ursache für die starke Medikalisierung der Geburt?

    Dr. MW: Der größte und tragischste Fehler des 20. Jahrhunderts war der, den Geburtsort ins Krankenhaus zu verlagern. Das Krankenhaus ist ein Ort für kranke Menschen – die Schwangerschaft ist aber keine Krankheit, die Geburt keine chirurgische Prozedur. Diese Verlagerung geschah ohne jeden wissenschaftlichen Beweis. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass alle Verbesserungen in der Geburtshilfe, wie die Senkung der Müttersterblichkeit oder die Säuglingssterblichkeit nicht aufgrund der Verlagerung ins Krankenhaus erreicht wurden, nicht wegen all der Hochtechnologie, wie beispielsweise der Einführung des Ultraschalls. Nein, es lag vor allem an sozialen Veränderungen – an Verbesserungen der Wohnsituation, der Ernährung und als wichtigstem Punkt: an der Möglichkeit zur Familienplanung. Frauen bekommen weniger Kinder und wenn, dann zu einem Zeitpunkt, wenn sie dazu bereit sind.
    Das macht mindestens 80 Prozent der Ursachen aus, warum die Geburt sicherer wurde. Der Anteil, zu dem die Medizin und die Krankenhäuser beigetragen haben, waren sehr grundlegende medizinische Errungenschaften, wie die Entwicklung sicherer Bluttransfusionen oder der Antibiotika. Die ganze Hightech-Medizin, die momentan umgeht, hat damit nichts zu tun. Die Geburt hätte niemals ins Krankenhaus verlegt werden sollen und allmählich wird sie es auch wieder verlassen: Es wird der Tag kommen, an dem nur noch etwa zehn Prozent der Frauen zur Geburt ins Krankenhaus gehen werden.

    KB: Wird die Zahl der Krankenhausgeburten wirklich so stark abnehmen? Sprechen Sie dabei von der Situation in den USA?

    Dr. MW: Überall in der sogenannten zivilisierten Welt! Es wird den Menschen bewusst werden, weil die Medikalisierung immer weiter fortschreiten wrid. Wenn es dann so extrem wird und die Kaiserschnitterate auf 30 Prozent und mehr ansteigt und es immer verrückter wird, wird die Schattenseite dieser Entwicklung auch für die Öffentlichkeit offensichtlich.

    KB: Heute haben wir bereits ungefähr 30 Prozent Kaiserschnitte. Woher nehmen Sie Ihre Vision, dass es wieder mehr Hausgeburten geben wird?

    Dr. MW: Man kann die Menschen für eine Weile täuschen, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt wird es so schlimm werden, dass es in der Geburtshilfe eine Revolution geben wird. Die Frauen werden gemeinsam mit den Hebammen sagen: „Stopp, es reicht!“. Sie haben schon einmal “Stopp“ gesagt, als die Ärzte in Deutschland vor über 20 Jahren die Geburten außerhalb des Krankenhauses verbieten lassen wollten. Das war vielleicht nur eine kleine Revolution, aber sie werden wieder „Stopp“ sagen, wenn es wirklich schlimm wird. Beispielsweise läuft es in vielen Krankenhäusern der Vereinigten Staaten ab wie am Fließband einer Fabrik: Da wird Wochen im Voraus geplant, wann bei einer Frau die Geburt eingeleitet wird. Montagmorgen um sieben Uhr werden zwei Frauen eingeleitet, um acht zwei weitere, um neun wieder zwei. In den USA werden heute fast 50 Prozent aller Geburten eingeleitet. Man hat die Geburtsurkunden analysiert: Geburten finden von Montag bis Freitag statt, selten am Wochenende. Der Geburtstag deines Kindes hängt von irgendeinem Terminplan ab!
    Man nimmt den Frauen und den Familien immer mehr weg. In den USA wird dir jetzt sogar verboten, die Geburt deines Kindes zu filmen. Das amerikanische College of Obstetrics and Gynecologists veröffentlichte eine schriftliche Empfehlung, in der es hieß: „Lassen Sie nicht zu, dass Geburten gefilmt werden, es könnte vor Gericht gegen Sie verwendet werden.“

    KB: Kann mir jemand verbieten, die Geburt meines Kindes filmen zu lassen?

    Dr. MW: Im Krankenhaus schon – man kann Ihnen Ihre Kamera wegnehmen. Die Geburtshilfe wird immer autokratischer und die Rechte und Freiheiten werden den Frauen und Familien mehr und mehr genommen. Schauen Sie, was nun in Deutschland passiert, die Geburten verlagern sich immer mehr in die Geburtshäuser.


    KB: Ich kann nicht erkennen, dass dies auf Kosten der Klinikgeburten geht: Bereits vor 25 Jahren hatten wir hier in Deutschland einen Hausgeburtsanteil von ca. ein bis zwei Prozent – heute haben wir einen ähnlichen Anteil für alle außerklinischen Geburten. Heute nimmt die Zahl der Geburtshäuser zu – es sind über 100. Die Zahl der Geburten in Geburtshäusern nimmt zu, die Hausgeburten müssten demnach abnehmen. In dieser Hinsicht scheint es eine Veränderung zu geben – nicht, dass nicht mehr so viele Frauen zur Geburt in die Klinik gehen.

    Dr. MW: Egal, wie klein die Veränderung ist, sie ist sehr wichtig, weil sie eine sichere Alternative zeigt. Die klinische Geburtshilfe in Deutschland und den USA steht der Geburt außerhalb des Krankenhauses im Allgemeinen feindselig gegenüber. Man würde auch gerne noch diese zwei Prozent außerklinische Geburten loswerden, weil die symbolisch für alles stehen, was im Krankenhaus falsch läuft.

    KB: Auch hier sehe ich eine Veränderung: Vor 30 Jahren stand man der Hausgeburt extrem ablehnend gegenüber. Heute kooperieren viele Krankenhäuser etwas entgegenkommender mit den freiberuflichen Hebammen – zumindest für die Region, in der ich lebe, kann ich das sagen.

    Dr. MW: Im Krankenhaus ist man schlauer geworden und sagt: „Wenn wir sie nicht schlagen können, gehen wir ihnen um den Bart.“ Das heißt nicht, dass sie die außerklinische Geburt nicht ablehnen, die meisten tun das noch immer. Aber es ist gut, dass die Hausgeburtshebammen und die Geburtshaushebammen nicht schlecht behandelt werden. In vielen Ländern, wie den USA, behandeln die Geburtshelfer im Krankenhaus sie noch genauso schlecht wie vor 20 Jahren in Deutschland.

    KB: Welche Punkte kritisieren Sie am schärfsten an der Klinikgeburtshilfe?

    Dr. MW: Wenn eine gesunde Frau ein Kind zur Welt bringen möchte, ist alles am Krankenhaus schlecht! Es gibt in der Klinik beispielsweise sehr gefährliche antibiotika-resistente Keime, die krank machen. In einem Krankenhaus kann eine Frau sich nicht so wohl fühlen und entspannen, dass ihre Hormone ungestört ihre Arbeit tun können. Man tut vieles im Krankenhaus, was den normalen Prozess stoppt. Du kannst keine heimische Atmosphäre im Krankenhaus erzeugen – auch nicht, wenn du Vorhänge aufhängst. Auch all diese Kaiserschnitte sind ein großer Fehler: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau oder ein Kind bei der Geburt sterben, ist bei einem Kaiserschnitt viel größer – selbst wenn es kein Notfall ist.

     
  3. uvd

    uvd streitbare Doula

    KB: Wie sind Sie zu einem so leidenschaftlichen Kritiker der klinischen Geburtshilfe geworden?

    Dr. MW: Ärzte haben Angst vor der Geburt! In den frühen 80er Jahren, als ich gerade begonnen hatte, für die WHO zu arbeiten, fragte mich einmal eine Hebamme: Sind Sie jemals bei einer Hausgeburt dabei gewesen? Nein, antwortete ich. Wären Sie gerne einmal dabei? Fragte sie und ich sagte: Ja. Sie rief mich zu einer Hausgeburt ich war die ganze Zeit dabei. Als die gebärende Frau in die Austreibungsphase kam, entfesselte sie plötzlich ihre ganze Kraft und begann zu schreien und stöhnen. Sie rief: Komm raus hier! Ich werde dieses Baby bekommen! Ich erlebte die ganze Situation mit am Ende stand ich absolut unter Schock! Ich war so geschockt, dass dieses Erlebnis meine ganze Auffassung von der Geburt veränderte.
    In diesem Augenblick begriff ich, dass ich meine erste Geburt gesehen hatte! Alle Geburten, die ich bis dahin gesehen hatte, waren keine wirklichen Geburten gewesen. Das waren Geburten, die auf irgendeine Weise von Ärzten, Krankenschwestern und manche sogar von Hebammen deformiert und verändert worden waren. Noch etwas erkannte ich in dem Moment: Dass es mich zu Tode ängstigte, diese Frau in ihrer ganzen Kraft zu sehen. Mir wurde klar, dass ich als Mann Angst vor Frauen habe, Angst vor ihren fruchtbaren Kräften und ihrer Macht. Und ich realisierte sofort, dass unsere ganze moderne Geburtshilfe darauf ausgerichtet ist, so etwas nicht im Krankenhaus geschehen zu lassen. Wir wollen so etwas dort nicht sehen wenn Männer Angst vor etwas haben, besiegen oder kontrollieren sie es!

    Info:
    Dr. Marsden Wagner, geboren in SanFrancisco (USA), studierte an der University of California in Los Angeles (UCLA) Perinatologie (Neonatologie und Geburtshilfe) und Perinatalwissenschaft. Er war viele Jahre als klinischer Praktiker tätig, hauptberuflich in der Lehre als Mitglied der Fakultät der UCLA und anschließend als Leiter der Abteilung für Frauen- und Kindergesundheit am kalifornischen staatlichen Gesundheitsdienst. Er wirkte sechs Jahre als Direktor des Forschungszentrums für Gesundheit an der Universität Kopenhagen und leitete weitere 15 Jahre lang die Abteilung für Frauen- und Kindergesundheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Heute ist er als unabhängiger Berater tätig.

    (Quelle: Deutsche Hebammenzeitschrift, Ausgabe 12/08)
     
  4. Mikiundbaby

    Mikiundbaby Teilnehmer/in

    sehr interessant! danke für den post!!!
     
  5. fischerl05

    fischerl05 Gast

    @uvd: super interview!! danke!
    sag,...bin ich eigentlich blöd, dass ich keine geplante hausgeburt will? an sich fänd ichs total toll,...und wenns eine ungeplante würde, dann würd ich mich auch freuen. aber immer, wenn ich dran denk, dann hab ich angst davor, dass nacher alles schmutzig ist, und gg dann gescheit sauber macht,... :D
    ausserdem mag ich meine hebamme sooooo gern,..und die macht keine HGs! :(
    UND ich hab das letzte mal die zeit im sanatorium so genossen, weils mich so verwöhnt haben. ich glaub halt, dass gg das so nie schaffen tät! :D
     
  6. Guguk

    Guguk Teilnehmer/in

    sehr schöner Artikel - Danke
     
  7. Mikiundbaby

    Mikiundbaby Teilnehmer/in

    Bei uns war genau die mitgebrachte Unterlage der Hebamme voll, die wurde von ihr entsorgt, und geputzt hat keiner. :) War nicht nötig.
    Aber wenn du mit deiner Hebamme so vertraut bist, dann spricht doch nix gegen die Geburt im Sanatorium mit ihr. Du wirst dann bei ihr dann genauso entspannt sein.
    Und wer weiß, obs dann ned eh spontan hu Haus statt findet. *g*
     
  8. uvd

    uvd streitbare Doula

    bei uns gabs auch nicht viel zum saubermachen. die einmalunterlagen hat die hebamme mitgebracht und hernach in einen plastikmüllsack gesteckt. eine waschmaschinenladung gabs dann noch mit handtüchern, das hat er gut geschafft.
    das einzige, was zu putzen war, war der geburtspool, aber da hatte er eh schon übung drin, den hab ich monatelang vorher schon immer genutzt und er musste den immer mal wieder schrubben.

    aber hör einfach auf dein gefühl, versuch, dir deine geburt so vorzustellen, wie du sie dir wünschst. dann wirst du wissen, wo DEIN richtiger ort ist. :hug:
     
  9. Sabbermonster

    Sabbermonster Teilnehmer/in

    Mein Traum wäre ja auch eine Hausgeburt. Es ist nur sehr mühsam alle davon zu überzeugen. Es war ja schon anstrengend als ambulant Gebährende nicht als "verrückt" zu gelten. Auch wenn ich es durchsetzen kann (bin noch nicht schwanger - oder doch :D) heißt das vorher viel Streß beim erklären, diskutieren, ... und ich hoffe ich habe die Kraft dazu und ich bekomme auch Unterstützung von meinem Mann. Ich hab es bei ihm ja schon öfters angedeutete das ich beim nächsten Kind eine HG anstrebe, aber so wirklich konkret haben wir noch nicht darüber gesprochen.

    Danke übrigens für den Artikel - den muß ich mir aufheben um ihn gegebenenfalls Kritikern der HG weiterzugeben!
     
  10. Moni-Andi

    Moni-Andi Gast

    Sry aber bei manchen Sätzen kann ich echt nur den Kopf schütteln :boes:

    Der Satz ist doch eine Frechheit...
     
  11. uvd

    uvd streitbare Doula

    nicht der satz ist eine frechheit, sondern das vorgehen. es ist tatsächlich so abgelaufen, so traurig das ist.
    lies mal "Vom Abenteuer der Geburt" - den teil über die geschichte der geburtshilfe.
    oder "Die Vernichtung der Weisen Frauen"
    oder "Gebären ohne Aberglaube"
    oder "Sichere Geburt?"
    oder
    oder
    oder
     
  12. fischerl05

    fischerl05 Gast

    findest du die tatsache eine frechhet, dass es so ist? oder hältst du das für eine unterstellung?
    bitte,....das ist die aussage eines MANNES,....eines GYNÄKOLOGEN!!! nicht die aussage einer "alternativen hebamme",... :D
     
  13. Moni-Andi

    Moni-Andi Gast

    Beides :D
     
  14. fischerl05

    fischerl05 Gast


    hö? wie geht das denn?? :D
     
  15. Moni-Andi

    Moni-Andi Gast

    Ich bin zu 2 - ein Phänomen. :cool:
     
  16. fischerl05

    fischerl05 Gast

    ich kann dir nur recht geben! ich hab mich bei der letzten geburt mit ihr und im sanatorium schon sooo wohl gefühlt.
    und wer weiss,..vielleicht wirds ja wirklich eine ungeplante hg! dann kann ich nachher wenigstens noch ein paar tage "auf urlaub" ins sanatorium! :D

    klingt wirklich nach wenig putz-aufwand.
    also,..hab mal wieder intensiv in mich "hineingehorcht",...aber dort, wo wir um die geburt des babys wohnen (wir ziehen in einem monat übergangsweise um,..), fühl ich mich einfach nicht wohl genug. bzw. zum wohnen fühl ich mich dort super wohl,...aber zum gebären dann doch nicht, glaub ich!
     
  17. Daisy1307

    Daisy1307 Teilnehmer/in

    hat da wer einen guten buchtipp? bräuchte was, wobei ich meine erste geburt aufarbeitne könnte und die weitere quasi planen. brauch was, dass mich a bissal aufbaut, dass cih das auch alleine könnte.

    meine erste geburt kommt dem, was in dem artikel steht, sehr nahe. hilfe und unterstützung? fehlanzeige, pda und wehentropf. keine info, kein reden, nix...
    bin mit den schmerzen nicht zurechtgekommen, also keine medizinische notwendigkeit oder so...
    bruach motivation für eine weitere geburt, weil mein momentaner plan wäre ein kaiserschnitt, weil nochmal wehen und nciht wissen, was damit tun - nein, geht nicht...
    help?

    lg
     
  18. uvd

    uvd streitbare Doula

    betreuungstipps:
    - eigene hebamme (evtl. jetzt schon suchen zum aufarbeiten)
    - eigene doula
    - gute unterstützung durch den partner
    - hypnobirthing

    buchtipps:
    - "Lust aufs Gebären" von Traude Trieb
    - "Geburt - der natürliche Weg" von Sheila Kitzinger
    - "Gebären ohne Aberglaube" von Alfred Rockenschaub
    - "Geburt und Stillen" von Michel Odent
    - "Der Kaiserschnitt hat kein Gesicht" von Caroline Oblasser
    - "Luxus Privatgeburt" von Caroline Oblasser - erscheint 2009
    - "Es war eine schwere Geburt" von Viresha Julia Bloemeke

    und wenn dir englisch lesen nix ausmacht
    - "Unassisted Childbirth" von Laura Kaplan Shanley
     
  19. Daisy1307

    Daisy1307 Teilnehmer/in

    danke!
     
  20. UMI

    UMI Teilnehmer/in

    @uvd: lese gerade rockenschaub und kitzinger (die gabs bei uns in der städtischen bücherei) bis zum ende dieser ss möchte ich aber auch odent etc.. gelesen haben:)

    eins ist klar: ich hatte zwar viel über ss und babys gelesen, aber auf die geburt hatte ich mich beim 1.kind nicht vorbereitet und jetzt weiss ich, dass mir das gut getan hätte, diese tollen bücher damals zu lesen, ene hebamme etc zu haben..
     

Diese Seite empfehlen