1. Dinimama

    VIP

    wie meinst du diesen satz?
     
  2. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    schwer zu erklären, ich versuch's trotzdem mal.

    ich find die autistic pride bewegung (die gay pride als vorbild hat) wirklich wichtig. aber zwischen homosexualität und einem kind wie meinem besteht dann doch ein himmelhoher unterschied. ohne unterstützung, begleitung und therapie ist meinem kind kein würdevolles leben möglich. das IST eine behinderung. und an dem punkt wird's mühsam mit aktivisten zu kommunizieren. hab ich versucht, bin kläglich gescheitert. da bist dann als mutter auf eine andere art und weise der buhmann. andererseits merkt man aber genau da wieder, warum autismus unter "tiefgreifende entwicklungsstörung" fällt. :eek:
     
  3. camefromhell

    camefromhell Teilnehmer/in

    Hmmm, ich habe da jetzt ganz überblicksmäßig mal reingelesen und ich finde einige Aussagen dieser Bewegung schon ziemlich bedenklich:

    Z.b.: "Einige Aktivisten sind der Meinung, dass der Versuch, Autismus zu heilen, eine Form „ethnischer Säuberung“ darstelle. Als kleinsten gemeinsamen Nenner stimmen alle überein, dass Autisten eine stärkere Wertschätzung als einzigartige Individuen erfahren sollten."

    Frage hierzu: Ist der allgemeine Konsens nicht ohnehin dass man Autismus nicht wirklich heilen kann sondern dass man nur den Betroffenen helfen kann mit den Symptomen besser umzugehen?

    Außerdem besteht ja auch für mj kein Behandlungszwang?

    Darüber hinaus ist der Begriff Autismus ja so weitgefasst dass die Forderungen einer solchen Bewegung wohl kaum für alle Betroffenen zutreffen können. Das geht ja von Erkrankungsbildern die für Außenstehende gar nicht bemerkbar sind wenn sie nicht zum engen Freundeskreis gehören bis hin zu Menschen die am normalen Berufs-/Sozialleben gar nicht teilnehmen können.
     
  4. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    als ich vor 12 jahren in diesen bereich reingeschupft wurde, stieß ich als erstes auf die amerikanische eltern-bewegung "autism speaks" deren hauptmotto war damals: "war against autism". (ich hab davon leider nichts gespeichert) das kannst mit europäischen verhältnissen nicht vergleichen. da schlackerst erst recht mit den ohren. auf eine gewisse art und weise geht es da schon - sehr hart ausgedrückt - um einen genozid. für eltern in amerika ist die diagnose autismus mehr oder weniger ein todesurteil, wo man alles menschenmögliche unternehmen muss, um das kind davon zu retten. das kannst mit europäischen verhältnissen nicht vergleichen. autistic pride ist da die notwendige gegenbewegung von den unmittelbar betroffenen.

    ja, es besteht theoretisch kein behandlungszwang für minderjährige. praktisch besteht jedoch die gefahr, dass dir dein kind abgenommen wird, wenn keine behandlung erfolgt.
     
  5. camefromhell

    camefromhell Teilnehmer/in

    ok, danke für die Klarstellung, in dem Zusammenhang macht das natürlich Sinn dass sich eine derartige Bewegung etabliert.

    Wobei, am Arbeitsmarkt wird es hier vermutlich auch nicht signifikant besser sein vermute ich, wir haben hier zwar einige nette Firmen die Autisten (sprich vmtl. primär gut funktionierende Aspergers) ihren Nischenbegabungen entsprechend einsetzen, aber das sind ja auch nur Sozialprojekte und keine wirkliche Integrationen in den Primärarbeitsmarkt.

    Wie weit geht denn die Bereitschaft vom Jugendamt, Kindesabnahmen wegen Nichtumsetzung von Therapiemöglichkeiten durchzuführen? Manche Themen in der Verhaltenstherapie sind ja soweit ich weiß hochumstritten.
     
  6. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    wie's am arbeitsmarkt in amerika aussieht - keine ahnung. da hab ich mich nicht weitervertieft buw. bin auch über nichts gestolpert. aber so allgemein das amerikanische weltbild betrachtend, kann es nicht all zu rosig sein.

    also in meinem fall war's jugendamt (unter der hand ;)) sehr erleichtert, dass ich durchgehalten hab. es wird aber auch weniger wegen nicht-therapie sondern eher wegen erziehungsunfähigkeit abgenommen. statistiken dazu wird's eher nicht geben. es gibt allgemein zu wenig angebote, um überforderte eltern zu unterstützen. die argumentationslinie ist da eher :eek::eek::eek:.

    verhaltenstherapie. :D an sich eine super sache, mit ganz viel potential. bei der umsetzung wird's dann fransig. es gibt zu viele, die keine wirkliche ahnung haben, was sie da tun. und nicht alles, was man tun will, ist im interesse der kinder. enthält hohes streitpontential mit allen beteiligten. leider fangen die ABA-kapazunder jetzt damit an, bei einem fühzeitigen therapiebeginn von heilung zu sprechen. nur bei einem 1-jährigen kind kannst halt nicht sagen, dass es autismus hat. :mad:
     
  7. camefromhell

    camefromhell Teilnehmer/in

    Ich habe mich jetzt nur gerade spontan gefragt was ein Jugendamt bezüglich der Erziehung / Betreuung eines hochgradig betroffenen Autismus-Kinds mehr leisten kann als eine normal engagierte Familie die auf ihr Kind individuell eingehen kann?

    Gut, meine Jugendamtserfahrungen sind generell etwas durchwachsen und ich bin daher voreingenommen, aber können die es wirklich besser oder glauben sie nur dass sie es besser machen weil sie die ärztlichen Leitlinien auf Punkt und Beistrich abarbeiten (was sie ohne Zweifel tun würden)?
     
  8. Dinimama

    VIP

    das erklärt mir aber nicht, weshalb du nicht glücklich bist, wenn ein mensch ein selbstbestimmtes leben führen kann. für mich als mutter ist das ein ganz erklärtes ziel, und ich freue mich für mein kind, aber auch für jede/n anderen, wenn das bestmöglich gelingt.

    für mich kommt das grad ein wenig wie "für mein kind ist es nicht möglich, deshalb soll es für andere auch nicht möglich sein!" rüber.
    bitte korregier mich, wenn ich falsch liege!
     
  9. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    ja, mit dem 2. absatz liegst du komplett falsch. ich weiß aber nicht, wie ich es dir besser rüberbringen soll.

    daher versuch die 2.: es gibt eine gruppe von "funktionalen" autisten, die behinderter (weiß kein besseres wort dafür) gemacht wurden/werden, als sie sind. dass die darüber nicht sehr glücklich sind versteh ich und sie haben begonnen für ein anderes bild von autismus stark zu machen. find ich absolut wichtig, hat mir viel vom verständnis bei meinem sohn geholfen, führt jetzt jedoch zu schwierigkeiten für weniger "funktionale" autisten wie meinen, weil geht doch. dadurch werden autisten wieder zur gänze in ein anderes kastl reingepackt. deswegen bin ich über sie nur bedingt glücklich.
     
  10. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    das JA macht's eh nicht, sondern die einrichtung, wo das kind hinkommt. ;) auf grund meiner voreingenommenheit (in der schule meines sohnes sind kinder aus einer einrichtung) kann ich dir diese frage nicht beantworten. :eek:
     
  11. Dinimama

    VIP

    ist das wirklich so heftig? dass alle über einen kamm geschoren werden?
    man spricht doch extra von einem spektrum, weil es eben so viele verschieden ausprägungen gibt.

    und eigentlich ist das ganze ja nicht von den funktionalen autisten ausgegangen, sondern eher von der gesellschaft, die effenbar zu wenig bescheid weiß und somit aus allen autisten hochbegabte zahlengenies macht, die halt ein wenig schrullig sind. den autisten, die sich dafür stark machen genommen zu werden, wie sie sind bzw die sich ihr leben nach ihren fähigkeiten einrichten, kann man da meiner meinung nach keinen vorwurf machen!

    ich bin übrigens bisher eher von der umgekehrten annahme ausgegangen, sprich ich habe zb damals bei der gym-anmeldung meines sohnes mit der diagnose hinterm berg gehalten, weil ich nicht wollte, dass leute, die von der materie wenig ahnung haben, dann eventuell bei wikipedia nachlesen bzw rainman im kopf haben und er gleich von vornherein keine chance hat.
    ich hatte also eher den eindruck, dass man von "autismus=stärkere behinderung" ausgeht.
     
  12. camefromhell

    camefromhell Teilnehmer/in

    Oh ja, die Medien transportieren dieses Bild auch ganz hervorragend. Kennt ihr die Fernsehserie Scorpion?
     
  13. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    ja, es ist in manchen bereichen so heftig.

    ich war eine zeitlang in einem forum von autisten für autisten. da bekommt man noch mal andere infos, nur ist man da als mutter und neurotypischer schon recht heftigen angriffen ausgesetzt. vor allem wenn das kind halt wirklich nicht in der lage ist, irgendwas allein zu machen. mein kind ist quasi das paradebeispiel dafür, warum man eltern nicht so gerne sagt, dass ihr kind autistisch ist und warum autismus lange zeit als unbehandelbar gegolten hat.

    was manche dort in der therapie erlebt haben, um "normal" gemacht zu werden (auch in europa) schlägt aber schwer auf den magen.

    das bild des "brauchbaren" autisten ist erst in den letzten jahren entstanden. es is a mühsame g'schicht.
     
  14. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    nö. wo spielt die, um was geht's?
     
  15. camefromhell

    camefromhell Teilnehmer/in

    Um ein Team von 4 "Genies" die mit Merkmalen dargestellt werden die in der Öffentlichkeit gerne mit Autisten in Verbindung gebracht werden (wenig ausgeprägte soziale Anpassungsfähigkeit, emotionsarme Kommunikation, wenig Mitgefühl usw.).
    Die Serie hat sogar einen eigenen Hauptcharakter der dazu da ist, die sachliche Kommunikation der Genies für die normale Welt zu übersetzen (das macht ein gut aussehendes Mädel das das Obergenie in einem Diner aufgegabelt hat, das arme Ding verliebt sich dann natürlich ganz klischeehaft und bekommt von ihm die kalte Schulter weil er sie nicht versteht).

    Ist Quatsch, zwischenzeitlich aber ganz lustig anzuschauen.
     
  16. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    danke. werd ich mir angucken.
     
  17. Dinimama

    VIP

    gut, in autistenforen bin ich nicht unterwegs, scheinbar gut so, wenn man da als neurtypischer mensch möglicherweise angegriffen wird.
     
  18. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    naja, nicht weiter verwunderlich. a) ist das dort deren spielwiese mit deren regeln. wer sich in meinem haus gröber daneben benimmt, kriegt auch was zu hören. b) können sie es nicht besser.

    um die innenwelt von autisten besser zu verstehen, ist es durchaus empfehlenswert reinzulesen. mitschreiben ist halt etwas zach, weil man dann ein bisschen an sich selbst spürt, was es heißt, in der minderheit zu sein.
     
  19. eva-7

    eva-7 Teilnehmer/in

    danke für diese schöne Diskussion.

    Ich bemühe mich, der Gesellschaft die "Symptome" näher zu bringen und es für die Gesellschaft "akzeptabler/leichter" zu machen, Autisten leben und sein zu lassen.

    Gestern von einem Wiener Kind gehört (9 Jahre?), das keinen Schulplatz bekommt. Weiß jemand davon? Ich sammle diese Fälle jetzt.

    Die Volksanwaltschaft hat vor 2 Tagen endlich ihre Tätigkeit aufgenommen ( = ein Schreiben offiziell ging hinaus an die Landeshauptfrau). Ich berichte weiter, und bitte, wer Kinder kennt, die keinen angemessenen (!) Schulplatz bekommen, möge sich mit mir in Verbindung setzten.

    LG
    Eva
     
  20. isbinnbeal

    isbinnbeal Gast

    Ich bin echt eine Aussenstehende, meine Schwester ist nicht Autistin, hat eine Behinderung die halt nicht näher diagnostiziert ist und zT autistischen Züge anscheinend.

    Aber bei ihr ist es auch immer wieder sehr schwer zu erklären weshalb sie so viel Betreuung etc braucht (oft 1 zu 1, kann nie allein sein), weil a) sie keine Diagnose hat und das finden Leute schon schwierig zu verstehen und b) Independent living wird jedenfalls in Irland sehr "forciert", toll für Diejenige Leute mit kognitiven Behinderungen die mit Unterstützung relativ selbständig leben können, aber für meine Schwester nicht so toll, weil die wirklich betreuten Plätze extrem rar geworden sind und alle Stellen sofort wissen wollen, ob sie eine Kandidatin für Independent living wäre. Ich habe immer den Eindruck, dass die Zuständigen am anderen Ende des Telefons mir einfach nicht glauben, wenn ich dann sage meine Schwester wäre absolut keine Kandidatin dafür. Ich kann ihnen keine Diagnose geben, wenn sie sie kennen lernen ist sie total wortgewandt und charmant, da sie es sehr geniesst Menschen kennen zu lernen. Ich glaube sie können sich gar nicht vorstellen, dass diese charmante Frau sich nicht anziehen kann, sich keine Mahlzeit bereiten kann, nicht über die Strasse gehen kann, und praktisch ständig Aufmerksamkeit braucht und noch dazu extrem willenstark ist, also nirgendwo einfach mit gehen will a la "wir gehen jetzt alle ...". Und wenn man es an Beispiele erklärt kommt mir vor, sie denken die Familie ist halt nicht kompetent (in der Werkstatt ist es auch nicht anders, deswegen braucht sie so viel 1:1 wie möglich).

    Ich bin ja OT und ich will die Diskussion nicht sprengen (alles gute allen Betroffenen - meine Schwester hat ihren Schulplatz auch mit 15J verloren und durfte stattdessen einfach zuhause sitzen mit meine Mutter und dem neuen Baby, dabei ging sie sehr gern).
     

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