1. lucy777

    lucy777 Gast

    zufällig habe ich eine alte TV-doku über besatzungskinder nach dem 2.WK angeklickt.

    dort erzählte eine frau, wie ihre mutter sie festgehalten hat, damit ihr stiefvater sie mit dem teppichklopfer schlagen konnte, wenn sie was "angestellt" hatte.
    so ähnliche szenen kenne ich auch aus eigenem erleben.

    eine andere szene, die ich gestern erzählt bekam: eine oma, etwa 70 - erzählt, dass ihre enkelin (9) sie angeschrien hat und sie dann das kind mit der bemerkung "du brüllst nicht mir mir, schon gar nicht in meiner wohnung (da wohnen 2 generationen in einem haus) zu den eltern runtergeschickt hat.

    auf meine frage, warum denn die kleine sie angeschrien hat, kam folgendes raus:
    die oma hat die enkelin im erzählen unterbrochen, darauf hat sich das kind aufgeregt, dass es immer heiße, man dürfe andere menschen nicht unterbrechen, aber die oma unterbräche sie, die enkelin, ständig.

    ich kenne die oma als eine nette, bodenständige und auch gutherzige frau - aber ihr ist nicht aufgefallen, dass sie sich mit der aktion einfach ins unrecht setzt.

    klar darf die enkelin die oma nicht anbrüllen - aber in dem fall wäre für mich die lösung, sich einerseits fürs unterbrechen zu entschuldigen und andererseits eben hinweisen, dass brüllen genauso nicht OK ist.

    aber mehr als ein "eh - aber sie hat mich nicht anzubrüllen" kam da nicht an einigung zustande.
    die einstellung, dass ein kind ganz einfach zurückzustecken hat, ist da noch ganz fest verankert.

    ich bin froh, dass sich da doch einiges geändert hat in den jüngeren generationen und dass meine enkelkinder weder geschlagen noch gedemütigt werden.
     
  2. Solanum

    VIP

    ich finde nicht, dass die frau sich ins unrecht gesetzt hat.

    mein jüngerer (ok, er ist erst 5) flippt unter garantie aus, wenn man ihn unterbricht. ja, ich finde er darf sich ärgern, aber die oma braucht sich nicht anschreien lassen. ich finde es sehr ok, wenn sie dafür die konsequenz (runterschicken) setzt, aber sich auch dafür entschuldigt rüde gewesen zu sein und sich bemüht das kind nicht mehr zu unterbrechen.
    gutes benehmen ist ein lernprozess, wo alle beteiligten im idealfall dazu lernen. die oma, dass sie das kind repektiert und nicht unterbricht, das kind, dass es sich angemessen zu wehr zu setzen hat und die oma nicht anbrüllen darf.
     
  3. lucy777

    lucy777 Gast

    sie hat sich m.m. ins unrecht gesetzt, weil der markierte teil unterblieben ist.
    sie ist der meinung, ein kind ist ein kind und hat den erwachsenen zu respektieren.
    ihre eigene respektlosigkeit ist durch ihr erwachsensein rechtfertigt.
     
  4. Lucy, ist diese Doku, von der du schreibst, im Internet zu finden? Würde mich nämlich interessieren! :)
     
  5. ThePinky

    ThePinky Gast

    In unserer Familie gibt es ein Exemplar von "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind". Seither hat sich wirklich vieles geändert. Zum Glück. Mich wundert ja, dass da nicht lauter schwer traumatisierte Erwachsene rausgekommen sind, wenn die Leute das wirklich so durchgezogen haben. Wobei mein Vater hat sicher bis ins Erwachsenenalter an der Gewalt, der er in seiner Kindheit ausgesetzt war gelitten.
     
  6. lucy777

    lucy777 Gast

    ja - ich hab vor zwei tagen erst reingeschaut.
    sie ist aus 2015. wenn du sie unter den stichworten "besatzungskinder" o.ä. nicht mehr findest mach ich mich nochmal auf die suche.
    ich selber bin eigentlich zufällig drüber gestolpert, weiß gar nimmer, warum.

    edit: habs schon:

    Besatzungskinder vom 15.05.2015 um 21.10 Uhr / ORF TVthek
     
    lucy777, 29. Oktober 2017
    , Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 25. Dezember 2018
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    #6
  7. Erdbaerin

    Erdbaerin Et bliev nix wie et wor
    VIP

    Meine Mutter ist Jg. 1946 und in einem typischen katholisch-bürgerlichen Haushalt aufgewachsen. Mein Opa hatte eine recht sichere Anstellung bei der Stadt, meine Oma die typische Hausfrau und Mutter, die sich um die Familie kümmert und die beiden haben eine mehr oder minder gut funktionierende Zweckehe geführt.

    Klingt jetzt nicht dramatisch, aber sowohl meine Oma als auch meine Mutter sind traumatisiert. Selbst ich bin noch dabei an diversen Verhaltensmustern zu knabbern. Respektvolles Verhalten auf Augenhöhe gab es in meiner Familie nie wirklich, immer nur ansatzweise, aber wirklich verstanden worum es geht hat keiner.

    Und, deshalb ist das PaFo so wertvoll für mich, erst durch meine eigene Tochter und ihren Eigenheiten hab ich Geduld, Toleranz, Zuhören und den anderen so annehmen wie er/sie/es ist, gelernt. Ich bin beileibe nicht perfekt und noch lange nicht so reflektiert wie ich es gerne hätte, aber ich hab mich schon öfters bei meiner Tochter für einen unangemessen Ton entschuldigt. Sowas tut nicht weh und man kann selber als Erwachsener noch was in Sache gute Gesprächskultur lernen.
     
  8. alasse

    alasse eigentlich alassë
    PLUS + VIP

    Ich hatte erst kürzlich einen ernsten Disput mit meinem Vater (76), der mir allen Ernstes vorgeworfen hat, "so" dürfe ich als seine Tochter nicht mit ihm reden. Und er sei älter und wisse besser, wie alles weitergehen wird.

    Mein "Vergehen": dass ich ihm in einer Situation mieses Verhalten vorgeworfen habe, wie ich es in einer Diskussion mit Erwachsenen machen kann/muss, wenn es die Klärung erfordert.
    Seine Methode: "Reden wir nicht drüber, lassen wir Gras darüber wachsen." (Very old style. Er wird sich diesbezüglich in diesem Leben nicht mehr ändern.) Dementsprechend habe ich mich bei ihm auch nicht entschuldigt, sondern ein agree to disagree vorgeschlagen.
     
  9. Apfelsaft

    Apfelsaft Teilnehmer/in

    Der Wandel, von dem hier gesprochen wird, war und ist dringend notwendig, wobei mir eine Sache auffällt, die "früher" mMn besser war. Und das war, dass Eltern von der Gesellschaft eher unterstützt wurden und heute, eigentlich egal, was sie machen, idR Kritik und dadurch Verunsicherung erfahren.

    Das ist jetzt vielleicht ein rein subjektiver Eindruck von mir, aber ein sehr Starker.

    Das wird wohl noch eine ganze Weile brauchen, bis sich der gesellschaftliche Wandel dahingehend vollzogen hat, dass Eltern wieder mehr Selbstvertrauen in ihren Erziehungsmethoden entwickeln (die dann hoffentlich Lichtjahre entfernt von den damaligen sind).

    Bin sehr gespannt, wohin sich alles entwickelt und wie meine Enkelkinder, sollte ich einmal in der glücklichen Lage sein, welche zu haben, groß gezogen werden.
     
  10. Berthold

    Berthold Gast

    Ich habe diesen Schluss wie Lucy schon vor längerer Zeit gezogen.
    Ich habe von meinem Vater gehört, wie er aufgewachsen ist (sein Vater, mein Opa, wurde noch im 19. Jahrhundert geboren, war schon über 40 Jahre älter als er). Er hat meinen höchsten Respekt, dass er es geschafft hat, trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen?) so - relativ - liberale Ansichten zu haben und umzusetzen. Es war zwar, aus heutiger Sicht, immer noch sehr traditionell, patriarchalisch, konservativ, auch gewalttätig und mit Angst vor ihm verbunden, aber trotzdem eine ganz, ganz andere Welt als die, in der er selber aufgewachsen ist.

    Meine Mutter hatte ebenfalls sehr konservative Eltern, wobei körperliche Strafen in ihrer Erziehung wohl weniger präsent waren (ich muss sie einmal fragen). Aber Mitsprache oder gar Widerspruch oder Hinterfragen der älteren Generation gab es auch bei ihr nicht. Da ist bei meinen Kindern heute selbstverständlich - macht es mir natürlich leichter, weil ich Entscheidungen nicht alleine tragen muss, fordert aber auch heraus.

    Ich frage mich manchmal, ob meine Kinder NOCH EINMAL liberaler sein werden als ich. Ob das überhaupt noch möglich sein wird. Oder ob sie eher wieder autoritäter sein werden. (Oder überhaupt anders, keines von beiden?)
    Wird spannend werden. (Wobei, der Große hat eh schon gesagt, dass er kinderlos bleiben will. Aber das hätte ich in seinem Alter wahrscheinlich auch.)
     
  11. Solanum

    VIP


    ich denke meine kinder können leicht weniger autoritär sein als ich. ich bin für mein verständnis überraschend autoritär, weil die erfahrung und ausprobieren gezeigt hat, dass sich eines meiner kinder mit sehr klaren regeln, die ich auch autoritär durchsetze, deutlich leichter tut (dem anderen sind alle regeln wurscht ob autoritär oder nicht so autoritär :eek:). bei uns hat meine idee von einer eher partnerschaftlichen kindererziehung nicht gut funktioniert. sie dürfen und sollen mitsprechen, aber bei gewissen sachen habe ich immer das letzte wort.
     
  12. Erdbaerin

    Erdbaerin Et bliev nix wie et wor
    VIP

    Noch was, was sich mMn geändert hat:

    Ich bin damit aufgewachsen, daß gut immer noch nicht gut genug war. Egal ob Schule, Instrumente spielen, Sport oder sonst was, nie wurde das erzielte Ergebnis anerkannt, sondern es wurde immer gefragt, warum ich nicht besser war. Das hat sich bis heute hingezogen und gerade aktuell werd ich wieder nach allen Regeln der Kunst fertig gemacht, weil nicht alles sofort und perfekt erledigt wird. :boes:

    Nur, HEUTE weiß ich, daß ein solch demotivierendes Verhalten nicht in Ordnung, sogar teilweise übergriffig ist, daß es richtig und wichtig ist sich dagegen zu wehren und daß es wichtig ist, daß man seine Kinder da abholt wo sie stehen und nur machbares von ihnen erwartet.
     
  13. nina64

    nina64 Teilnehmer/in

    Regeln aufstellen und mit einem gewissen Nachdruck die Einhaltung auch durchzusetzen finde ich jetzt nicht automatisch als autoritär.
    Schlagen wirst sie ja nicht, wenn sie eine Regel in Frage stellen, ihr nicht gleich nachkommen oder motzen und maulen.

    Ich finde Regeln sehr, sehr wichtig!
    An irgendwas müssen sich die Kinder doch orientieren können.
     
  14. Solanum

    VIP


    ohne frage, aber ganz naiv hatte ich mir in der präkind-ära eine andere art der erziehung vorgestellt, die auf augenhöhe und respekt beruht. respekt gilt immer noch, augenhöhe nicht.
     
  15. Minerva

    Minerva Head of Frustblunzn
    VIP

    Ich bin mit meinen Kindern auf Augenhöhe, seit sie ungefähr so groß sind wie ich. :)

    Je kleiner (jünger) sie waren, umso mehr war ich der Chef und habe bestimmt, wo es lang geht. Je geringer ihr Wortschatz war, umso kürzer waren meine Ansagen. Nichts finde ich sinnloser, als einem zwei Jahre alten Kind wortreich darzulegen, warum es irgendwas machen oder nicht machen soll.

    Inzwischen leben wir partnerschaftlich zusammen, alle sind volljährig und dennoch sind es weiterhin mein Mann und ich, die im Zweifel das letzte Wort haben, wenn es um Dinge geht, die uns gehören (unser Haus, unser Hausstand, Haushaltspflichten). Dafür akzeptiere ich, wenn die Kindelein ihre persönlichen Belange selbst entscheiden und ihre weise Mutter womöglich nichteinmal um Rat fragen.
     
  16. Solanum

    VIP

    wenn das eine kindlein so weiterwächst sind wir wenn er 11 jahre ist auf augenhöhe :eek:

    ansonsten denke ich, dass du recht hast.
     
  17. Minerva

    Minerva Head of Frustblunzn
    VIP

    Mit 11 Jahren sind sie aber auch langsam alt genug, dass man es mit der ein oder anderen vernünftigen Diskussion versuchen kann. Mein Totschlagargument "Weil ich es sage!" war ungefähr ab da nur noch sehr selten notwendig. Dafür konnte ich öfter die "Ich habs dir doch gesagt!" Karte ziehen :D
     
  18. Voland

    Voland she devil

    Das Buch gab es ab 1945 unter dem Titel "Die Mutter und ihr erstes Kind" 1 zu 1 (außer dem Kapitel über die Hitlerjugend) fast in jedem österreichischen Haushalt bis in die frühen 1980ern. Mein Mann ist danach "erzogen" worden und einiges hat ihn tatsächlich recht stark traumatisiert :( Meiner Schwiegermutter war es nicht bewußt, wer die Autorin war und welchen Hintergrund sie hatte, ich denke, viele wußten das dann auch nicht.

    Meine Mutter war, wenn ich jetzt bedenke, Erziehungstechnisch wohl eine absolute Pionierin, alles was heute unter modern auch AI läuft, hat sie schon in den 1960ern und 1970ern gemacht. :herz2:
     
  19. Ich habe mal mit einem Bekannten von mir darüber diskutiert. Was er sagte scheint mir sehr einleuchtend.

    Früher bekam man Kinder weil man Arbeitskräfte brauchte und auch die Verhütung nicht immer geklappt hat. Kinder waren also als (notwendiges) Übel da und wurden auch so behandelt.

    Heute sind die Kinder (zumindest meistens) lange geplant und gewünscht. Man erkennt sie als wertvolle und vollwertige Mitglieder der Gesellschaft an.

    Ich denke diese Einstellung macht sehr viel Unterschied, wie man Kinder behandelt.
     
  20. Solanum

    VIP

    das hat für den adel und das bürgertum nie gestimmt und die waren auch nicht gerade herzlich, wenn man den erzählungen glauben darf.
     

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