1. Minerva

    Minerva Head of Frustblunzn
    VIP

    http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/45750

    Mein Sohn ist kein Vollblutautist, aber sicherlich im autistischen Spektrum etwas tiefer drin als andere. Vieles von dem, was dieser Text beschreibt, erkenne ich wieder. Rituale, Regeln, Wiederholungen.

    Und spannend: ich erkenne Vorlieben bei mir wieder, weil auch ich mich extrem unwohl fühle, wenn zu viele Sinneseindrücke auf mich einstürzen, ich leide dann körperlich.

    Wie ich immer wieder sage: wir alle sind ein mehr oder weniger Autist.
     
  2. spacedakini3

    spacedakini3 Teilnehmer/in

    Ja eh. Wir sind auch alle mehr oder weniger gehbehindert. Kein Marathonläufer - schwupps: gehbehindert.

    (Vorsicht, kann Spuren von Satire beinhalten)
     
  3. Erdbaerin

    Erdbaerin Et bliev nix wie et wor
    VIP

    Wir sind auch alle etwas bisexuell. Sind somit Heteros verklemmt?

    Normal gibt es nun mal nicht. Ich bin es nicht, meine Tochter ist es nicht. Nur mein Exmann glaubt er wäre normal...
     
  4. Speleo14

    VIP

    Ich finde den Artikel prinzipiell interessant, aber so bahnbrechend neue Erkenntnisse sind das ja nun auch wieder nicht?
    Dass (viele) Autisten schnell reizüberflutet sind, ist ja nichts neues. Und dass Autisten keine Empathie hätten, ist doch auch schon seit längeren widerlegt?
    Bei mir (selber Aspie) ist das jedenfalls nicht so. Vielmehr habe ich einfach das Problem, dass ich nicht weiss, wie ich adäquat reagieren soll - Mitgefühl habe ich aber durchaus!

    Und doch, ich finde schon, dass man sagen kann, dass wir alle ein bisschen "autistisch" sind. Na gut, vielleicht nicht "alle", aber durchaus viele, nicht nur die "offiziellen" Autisten. Nicht umsonst spricht man ja vom Autismus-Spektrum (ich würde mal auf eine Normalverteilung tippen), die Grenzen sind fliessend, und wo genau der Cut-off ist, wurde halbwegs willkürlich definiert.
    Ausserdem hängt es meiner Meinung nach stark von der Umgebung ab, ob man als "autistisch" auffällt oder nicht. An einer Uni, im naturwissenschaftlichen Bereich oder in der Informatik vermutlich braucht es vermutlich mehr; ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass ich sonderlich auffalle, bei uns sind viele recht nerdig, an irgendeiner Arbeitsstelle im pädagogischen oder sozialen Bereich wäre das vermutlich ganz anders.

    Von daher muss man den Vergleich "wir sind alle ein bisschen gehbehindert" gar nicht unbedingt ironisch auffassen. Wenn ich unter lauter Carl Lewis leben würde, käme ich mir (als lauftechnisch absolute Niete) vermutlich schon etwas "behindert" vor, wenn alle anderen ungefähr doppelt so schnell laufen könnten wie ich... (also quasi das umgekehrte von "Unter den Blinden ist der Einäugige König").
     
  5. schlagwort "neurodiversity"...

    wer zeit und lust hat, dem kann ich wärmsten von steve silberman "neurotribes" empfehlen, gibts mittlerweile auch in deutscher übersetzung. ein fast 600 seiten wälzer - aber er zahlt sich definitv aus!
     
  6. Minerva

    Minerva Head of Frustblunzn
    VIP

    Ich benutze diese Redewendung gern, um zu bekräftigen, dass Autisten nicht krank sind.

    Unsere Gehirne verarbeiten Reize und Sinneseindrücke unterschiedlich, das ist nun mal so und hat grundsätzlich erstmal nichts mit "krank" zu tun. Schwierig ist, sich ein Umfeld zu schaffen, dass zum eigenen Gehirn passt.

    Für mich war diese Sichtweise auf Autismus übrigens neu, ich bin aber auch nicht tief in der Materie drin. Die Erkenntnis, dass Bereiche in autistischen Gehirnen sehr viel aktiver feuern als Standardgehirne, während ich automatisch immer Rainman vor meinem inneren Auge habe - spannend.

    Ich denke, dass solche Artikel dazu beitragen, das Potential dieser Gehirnstrukturen zu erkennen und sich zu überlegen, wie wir es nutzen können, statt die Menschen als "krank und behindert" von klein auf auszusortieren, wie es bei meinem Schwager passiert ist.
     
  7. isbinnbeal

    isbinnbeal Gast

    Ich (NT) habe das gelesen und fand es sehr interessant und anregend.
     
  8. ThePinky

    ThePinky Gast

    Ich habe Neurotribes auch gelesen und fand Teile davon recht interessant. (manche aber auch seeehr langatmig - für die Message hätten 300 Seiten auch gereicht).
    Trotzdem frage ich mich, ob man mit dem Ansatz "wir sind doch alle ein bisschen autistisch" den Menschen, die durch ihre ASS im Alltag wirklich beeinträchtigt sind einen Gefallen tut. Das ist fast so, als wenn ich mit meiner leichten Kurzsichtigkeit sagen würde dass ich eh "auch ein bisschen blind" bin. Sicher gibt es bei Autismus einen Graubereich, wo die Übergänge zwischen "exzentrischer Persönlichkeit" und Behinderung fließend sind - aber Menschen mit ASS haben es in vielen Bereichen unserer Gesellschaft schwerer als andere und das sollte man auch anerkennen.
     
  9. Crocodylia

    Crocodylia Aktive/r Teilnehmer/in

    Danke! Seit Tagen kreise ich um den Faden und suche nach der passenden Formulierung.
    dharmapunk trifft es gut.
    Ja, natürlich ist Autismus keine Krankheit. Aber eine Behinderung.
     
  10. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    um's mit den worten einer psychologin zu sagen: wir haben alle unsere teilleistungsschwächen. die summe macht dann aus, ob man nur ein bisserl schrullig ist, legasthenie hat oder eben autismus.

    den artikel find ich persönlich eher mau. mein kind hat mehr als nur ruhe gehabt und kann ihn im garten grad mal für 5 sekunden allein lassen, von einem flug mag ich nicht mal träumen.
     
  11. eva-7

    eva-7 Teilnehmer/in

    Ich würde den Begriff "Behinderung" überdenken bzw. differenzieren.
    Medizinisch gesehen ist es eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Ob das schon eine Behinderung ist, und was man/frau darunter versteht, bleibt offen.

    Jedenfalls kann ich dir sagen, dass die meisten staatlichen (finanziellen) Unterstützungen für "Behinderte" nicht greifen/bezahlt werden bei Autismus. Auch der "Behindertenanwalt" sieht sich nicht zuständig für die Diskriminierung autistischer Schüler. So bezahlt der Verein für Begleitpersonen bei Autismus keine Assistenz, weil das keine "Körperbehinderung" ist - wäre das Kind Diabetiker, Rollstuhlfahrer etc. würde es diese Assistenz finanziert bekommen. Ich könnte diese Liste ziemlich lange weiterführen ;)

    Lieben Gruss
    Eva
     
  12. Crocodylia

    Crocodylia Aktive/r Teilnehmer/in

    Also, wenn man um die erhöhte Familienbeihilfe ansucht, ist das autistische Kind sogar ganz offiziell "behindert" ;) Es wird im Bescheid ein "Grad der Behinderung" angegeben.
    Und natürlich behindert die besondere Wahrnehmung im Alltag, je nach Kompensationsleistung unterschiedlich stark.
    Manche Autisten fallen vielleicht im Alltag gar nicht auf, sind aber dann im privaten Bereich überdurchschnittlich stark erschöpft und brauchen lange Zeiten der Regeneration. Das behindert auch.
    Die von dir aufgezählten Probleme sind ja auch eine Behinderung :) und dürften zudem recht Niederösterreich spezifisch sein.
    Ich wünsch dir Kraft Durchhaltevermögen!
     
  13. Sassenach

    VIP

    Ich gebe euch beiden recht, crocidylia und Eva, es ist für mich beides und es kommt auf den/die Autisten wer sehr er kompensieren und sich anpassen kann.
    Ich mag den Ausspruch auch nicht. Denn nein, nicht jeder Mensch ist behindert oder hat es schwer im Leben, dass schließt natürlich individuelle Hürden und Herausforderungen nicht aus. :)
     
  14. alibi

    alibi Gast

    Doch!
    lg alibi
     
  15. Minerva

    Minerva Head of Frustblunzn
    VIP

    Ist man in deinen Augen erst dann "echter Autist", wenn man im Alltag so beeinträchtigt ist, dass man es nicht kompensieren kann? Oder habe ich dich falsch verstanden?
     
  16. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    aus meiner erfahrung: nein!
     
  17. alibi

    alibi Gast

    ok, dann sind unsere erfahrungen unterschiedlich!
    uns wollen sie unterstützen, nur weiß ich noch nicht ob ich viel weiter gehen will.

    das wird sich alles erst im Sommer zeigen :)
     
  18. Crocodylia

    Crocodylia Aktive/r Teilnehmer/in

    Also ich hab das nicht so gemeint.
    Man ist auch ein "echter Autist", wenn man nach aussen "normal" erscheint. (nur dass das "normal" erscheinen schon mal ein harter Weg war...).
    Weil die "Aufladezeit" viel länger dauert als wenn man NT wäre.
    Zu funktionieren kostet einfach deutlich mehr Kraft. Das führt zu: Rückzug.
    Und wenn der nicht ausreichend möglich ist auch zu: Depressionen, Erschöpfung, Ängsten, Zwängen.
     
  19. eva-7

    eva-7 Teilnehmer/in

    meinen Sohn unterstützt der Behindertenanwalt nicht - schriftlich nachweislich bei mir. (Die Volksanwaltschaft ist dran)

    Zur Behinderung: Nur als Anregung: Sehe ich das "Problem" im Autisten, dann ist er behindert. Sehe ich das "Problem" in der Gesellschaft, behindert sie. Die Gesellschaft behindert autistische Menschen an der gleichberechtigten aktiven (beliebig erweiterbar) Teilnahme an (beliebig einsetzbar).

    :)
    Eva
     
  20. sabineh

    sabineh hält den Mund nicht

    Bei Autisten ist das Problem oft, dass den Hochfunktionalen nicht geglaubt wird, dass sie auch in bestimmten Lebensbereichen Unterstützung brauchen könnten, und dass den schwer betroffenen Autisten oft viel zu wenig zugetraut wird.

    Die Wahrheit ist, dass alle Autisten in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich stark betroffen sein können, zum Beispiel im sprachlichen Ausdruck oder beim Sprachverständnis, dass Wahrnehmungsprobleme unterschiedlich ausfallen und die Lebensqualität beeinträchtigen können, dass die Kommunikation und viele andere Bereiche unterschiedlich betroffen sein können und deshalb jede autistische Person gar nicht als schwer oder leicht betroffen in einem linearen Spektrum eingestuft werden kann. Viel eher kann die Betroffenheit verschiedener Lebensaspekte besser auf einer Art Tortendiagramm dargestellt werden, wo dann für jeden Bereich ein Segment steht, in dem dann ein Punkt eingetragen wird, der umso weiter am Mittelpunkt liegt, je mehr der jeweilige Autist in diesem Lebenssegment Schwierigkeiten hat.
     

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