1. tiramisuuu

    tiramisuuu Teilnehmer/in

    Es ist der 29.02.2016, spätabends.

    Ich bin nach einem netten Abendessen mit der Familie in einem unserer Stammlokale bald ins Bett gegangen, weil ich recht müde war - die Bauchkugel war schwerer als sonst, ich war den ganzen Tag recht angespannt gewesen und außerdem vier Tage über dem errechneten Termin - da wollte ich noch ein wenig Schlaf tanken.
    Ungefähr um 23:30 Uhr spüre ich, wie sich etwas mit meinem Körper tut, kann es aber nicht recht einordnen. Als ich zehn Minuten später genau das gleiche Gefühl bekomme, fällt der Groschen: das könnten Wehen sein.
    Ich informiere meinen Mann, möchte ein Bad nehmen, damit ich sehe, ob es vielleicht nur Senk- oder Übungswehen sind. In der Badewanne habe ich das Gefühl, ich hätte mich plötzlich angepieselt.
    "Schatz, ich glaube, ich hatte einen Blasensprung", rufe ich durch die Badezimmertür. Mein Mann kommt herein, er ist sichtlich angespannt. "Ich ruf lieber die Rettung", meint er, am Nagel seines linken Daumens kauend.
    Ich nicke, ziehe mich an, kämme mir die Haare und freue mich. Endlich ist es soweit. Bald darf ich mein Baby in Armen halten. Ich freue mich!
    Die Sanitäter kommen, tragen mich in einem Sessel hinunter zum Wagen. Wir sind entspannt, lachen, tratschen auf dem Weg ins Krankenhaus, in dem ich bereits angemeldet bin. Auf der Fahrt habe ich wieder Wehen, um Einiges stärker als zu Hause, aber noch sehr gut aushaltbar.
    Ich komme im Kreißsaal an, die Hebamme untersucht mich und meint: "Sehr schön, Muttermund ist schon zwei Zentimeter geöffnet. Sie können hier bleiben, das Kind bring ma heut auf die Welt!"
    Ich freue mich noch mehr. Mein Mann ist nervös, aber lacht mit mir, scherzt. Wir versuchen abwechselnd zu schlafen, ich nicke zwischen den Wehen immer wieder kurz weg.

    Langsam geht die Sonne auf, die Nachthebamme verabschiedet sich, und es stellen sich mir zwei Frauen vor: die Hebamme für den Tag sowie eine Schülerin, die gerade ihr letztes Praktikum absolviert. Ich werde darüber aufgeklärt, dass die Schülerin (das klingt sehr jung, tatsächlich war Maria, so hieß sie, mindestens zehn Jahre älter als ich) heute für mich da sein wird und von der Hebamme und dem Oberarzt unterstützt wird. Mir ist es recht, mit Maria passt die Chemie auf Anhieb. Sie schaut immer wieder vorbei, während ich lese, Wehen veratme, spazieren gehe, esse, Wehen veratme, mich auf den Pezziball setze und das Becken kreisen lasse, Wehen veratme.
    Um etwa 15:00 Uhr ist der Muttermund ganz geöffnet. Doch ich spüre mit einem Mal keine Wehen mehr. Ich werde nervös, rufe Maria, erzähle ihr, dass die Wehen kürzer und schwächer werden und schließlich ganz weg sind. Sie meint, wir könnten einen Einlauf machen, das könnte die Sache wieder voran bringen. Ich willige ein, und zehn Minuten später sitze ich am Klo.
    Der Einlauf zeigt Wirkung, doch leider nur kurzfristig. Um 16:30 ist es wieder ruhig in meinem Bauch. Zur Sicherheit machen wir ein CTG, sagt Maria und schnallt mir den Gurt um den Bauch. Sie sagt mir, ich müsse jetzt, wenn es geht, still liegen bleiben.
    Ich versuche es wirklich, aber mir tut alles weh. Wenn ich Wehen habe, werden diese unterträglich im Liegen. Ich bin müde, möchte, dass es endlich voran geht. Wo bleibt mein Baby?

    Schließlich wird es 18:00 Uhr und Maria hat Dienstschluss. Sie verabschiedet sich von mir, meint, sie drücke mir die Daumen. Dann kommt die Hebamme für die Nacht, sie heißt Alexandra. Sie sieht sich das CTG an und meint: "Das Baby ist nicht gescheit im Becken drin. Es muss die Drehung noch machen, deswegen sollten Sie jetzt liegen bleiben oder in den Vierfüßlerstand gehen. Wenn da ned bald was weiter geht, dann würde ich Ihnen gerne Oxytocin verabreichen, damit das Kind heut noch auf die Welt kommt." Ich bin schon ziemlich erschöpft und nicke.
    Um 20:00 Uhr bekomme ich den Wehentropf von der zweiten Hebamme. Sie sticht so miserabel, dass ich das halbe Laken des Bettes vollblute. Sie lacht dabei, entschuldigt sich und ich lächle müde. Meinem Mann fallen auch schon fast die Augen zu, aber er bleibt nonstop bei mir, hält meine Hand und spricht mir gut zu.
    Er hält meine Hand auch, als es mit einem Mal volle Kanne los geht mit den Wehen. Mit einem Mal habe ich starke Presswehen, halte es kaum aus. Die nächsten zwei Stunden vergehen wie in einem Rausch - ich erinnere mich nur noch an meine Müdigkeit, ich schlafe immer wieder ein zwischen den Wehen, nur um einige Sekunden später von der nächsten geweckt zu werden.

    Alexandra bleibt bei mir, und plötzlich sagt sie, ich solle mich hinlegen und die Beine anziehen. "Bei der nächsten Wehe schieb mit, so fest du kannst", sagt sie mir und ich gehorche. Erst beim dritten Mal wird mir bewusst, dass ich presse, dass ich endlich, ENDLICH mein Kind auf die Welt bringe. In meiner Erinnerung dauert es eine Ewigkeit. Weil das Köpfchen immer wieder zurück rutscht, hilft die zweite Hebamme, die mir den blauen Fleck von der Infusion verpasst hat, mit, indem sie mir bei jeder Wehe auf den Bauch drückt. Schließlich kommt der Oberarzt, der von der zweiten Seite ebenfalls auf meinen Bauch drückt. Mit dem Gewicht von zwei Erwachsenen auf meinem Bauch und der enormen Urgewalt, die von mir ausgeht, habe ich das Gefühl, ich zerspringe. Die nächste Wehe endet abrupt. "Das Kopferl ist draußen! Schau Papa, wieviel Haare!"
    Mein Mann sieht zögerlich nach vorne. Sein Gesicht hellt sich plötzlich auf und er strahlt mich an: "Ganz viele Haare, Liebling! Gleich hammas geschafft!"
    Bei der nächsten Wehe kommt es mir noch schlimmer vor als vorhin. Ich spüre einen stechenden Schmerz an meiner Scheide, dann Erleichterung. Ich schreie auf, habe das Gefühl, alles leert sich und höre einen erstickten Schrei - den ersten Schrei meine Tochter. Sie wird sofort weggetragen und ich sehe nur ihre bläuliche Haut. Die zwei Oberärzte gehen mit Alexandra mit, mein Mann und die zweite Hebamme bleiben bei mir. Sie dreht auch den Wehentropf ab. Mein Mann bedeckt mein Gesicht mit Küssen. Dann bringen sie meine Tochter zu mir, eingewickelt in ein rotes Handtuch und noch völlig verschmiert. "Mein Gott, bist du dick", ist das erste, was mir über die Lippen kommt.
    Alexandra erklärt mir, dass das Schlüsselbein meiner Tochter gebrochen sei, weil sie so groß ist. Sie fragt mich, ob ich Schwangerschaftsdiabetes hätte, was ich verneine. 5530 g, rufen die Oberärzte in den Kreißsaal und ich höre nur "Mein Gott, ein Riesenbaby", von der zweiten Hebamme. Doch in diesem Moment ist mir das herzlichst egal, denn ich kann nur die perfekten Fingernägel meines Töchterchens betrachten. "Kannst du dir vorstellen, dass ein Mensch schon so perfekt und fertig auf die Welt kommen kann?", frage ich meinen Mann und er schüttelt den Kopf und wischt sich männlich eine Träne aus dem Auge.
     
  2. tiramisuuu

    tiramisuuu Teilnehmer/in

    Ich höre noch einige Wortfetzen - Physiotherapie, breite Schultern, Schwangerschaftsdiabetes, Dammschnitt - und der Oberarzt beginnt, meinen Bauch zu massieren, weil die Nachgeburt auf sich warten lässt. Er drückt einmal etwas fester auf meinen Bauch, da höre ich plötzlich nur ein Platschen und alles wird hektisch um mich herum. Der Oberarzt setzt sich ans Fußende des Bettes und verlangt nach Mullbinden, ruft Alexandra etwas zu, die nickt und aus dem Kreißsaal läuft. "Was ist passiert?", frage ich matt und der Arzt sagt: "Ich versuche, die Blutung zu stillen, Sie haben grad viel Blut verloren!" Er sagt meinem Mann auch, dass er unsere Tochter nehmen und aus dem Raum gehen solle. Ich, völlig erschöpft, höre, wie mein Baby wieder anfängt zu schreien und weiß gar nicht, wie mir geschieht. Das Bett setzt sich in Bewegung, ich fahre an meinem Mann und meiner neugeborenen, noch nackten, schreienden Tochter vorbei und schaffe es gerade noch, ein "Ich liebe dich" über die Lippen zu bringen, bevor ich in den OP geschoben werde.

    Dort stellt sich mir eine Frau vor. "Ich heiße Liliana und bin die OP-Schwester. Wir werden Ihnen jetzt eine Narkose verabreichen, damit wir Ihre Plazenta entfernen können." Ich nicke schwach, auf der anderen Seite des Bettes steht ein Mann, der sehr aufgebracht wirkt. "Die ganze Nacht nur Geburten, Not-Kaiserschnitt von einer bladen Sau und der Trottel mit dem Nierenstein", schimpft er. "Ich hab noch ned mal aufs Klo gehen können!" Dann wandte er sich an mich. "Ich bin der Anästhesist!", blafft er mich an. "Wie viel wiegen Sie?" Ich bin so baff, dass ich nur stammeln kann: "Also, ich, ich weiß nicht, mein Baby war so schwer ..." - "Vor der Geburt!", brüllt er und ich flüstere ihm das Gewicht von der letzten Untersuchung beim Frauenarzt zu, 107 kg. "Na bitte, geht doch", meint er, einen Tick versöhnlicher. Und ich schlafe sofort ein.

    Mir scheint es, als wären nur Sekunden vergangen, da wache ich auf, unfähig, die Augen zu öffnen oder auch nur Luft zu holen. Etwas steckt in meinem Rachen, das mich am Atmen hindert und ich spüre wieder einen stechenden Schmerz an meiner Scheide, genau dort, wo es während der Geburt auch weh getan hatte. Diesmal verstehe ich sofort, dass mir der Dammschnitt genäht wird. Ich kann die Augen aufschlagen, aber immer noch nicht atmen. Ich ringe verzweifelt nach Luft, suche panisch mit meinen Augen den Raum ab und hoffe, dass jemand bemerkt, dass ich nicht atmen kann. Diese Sekunden fühlen sich für mich wie Stunden an. Einen kurzen Augenblick denke ich wirklich: "Das wars, jetzt sterbe ich", da steht der Anästhesist neben mir und zieht mir den Tubus aus dem Hals. "Ganz ruhig atmen, alles ist in Ordnung", sagt er. Ich röchle, atme die verdammt noch mal beste Luft meines Lebens und verliere wieder das Bewusstsein.
    Als ich wieder aufwache, liege ich nicht mehr im OP, aber auch nicht in einem Zimmer. Liliana steht neben mir, sagt mir, dass ich im Aufwachraum bin und eine Konserve Blut bekomme, weil ich insg. etwa einen Liter Blut verloren habe. "Wir warten noch auf einen Befund, dann können Sie auf die Station", sagt sie und lächelt mir zu. Ich versuche auch zu lächeln, doch mein Mund und mein Hals fühlen sich taub an vom Tubus. Liliana setzt sich an einen Tisch mit Computer, wo auch der Anästhesist sitzt und sich weiter über die "blade Sau" auslässt, die "ja kein Kind auf die Welt bringen kann in dem Zustand". Ich befürchte, er meint mich, aber ich erinnere mich, dass er etwas über Kaiserschnitt sagte und bin erleichtert. Ich schlafe immer wieder ein, wahrscheinlich ein Mix aus Erschöpfung und Nachwirkung der Narkose, aber ich merke, dass insgesamt etwa zweieinhalb Stunden vergehen, bis ich zurück auf die Geburtenstation gebracht werde. Dort wartet mein Mann mit meiner Tochter, die (immer noch?) weint und schreit. Alexandra ist bei uns. Sie legt mir meine Tochter auf meine Brust, versucht sie mit mir anzulegen, damit ich sie stillen kann, was aber eher schlecht als recht klappt, weil ihr anscheinend der Schlüsselbeinbruch solche Schmerzen bereitet. Ich bin nur froh, wieder bei meinem Mann und Baby sein zu können.

    Schließlich werden wir endlich auf die Wöchnerinnenstation gebracht. Ich bekomme noch eine Blutkonserve, mein Baby lasse ich nur auf meiner Brust liegen und verweigere, sie ins kleine Bettchen zu legen, das neben mir steht. Mein Mann gibt mir einen Kuss und sagt mir, dass er nur nach Hause fährt, um etwas zu schlafen, zu duschen und etwas zu essen. Als er geht, ist es 03:30 Uhr morgens.
    Meine Tochter und ich schlafen erschöpft ein.
     
  3. tiramisuuu

    tiramisuuu Teilnehmer/in

    Heute sind über zehn Monate vergangen. Meine Tochter ist mittlerweile zu einem großen Wonneproppen geworden. Sie lacht viel, ist sehr neugierig und kurzum ein absoluter Sonnenschein. Aber trotzdem kommen mir die Tränen, wenn ich an diese Geburt zurück denke. Sie war absolut traumatisch für mich, und der Schlüsselbeinbruch, sowie die Nachwirkungen der Geburt und sehr viele gut gemeinte, aber gar nicht gute Ratschläge von Krankenschwestern, Kinderärztin und Co. haben es mir schließlich unmöglich gemacht, sie weiter zu stillen, was mir bis heute ein schlechtes Gewissen bereitet.

    Ich bin froh, dass sie natürlich auf die Welt kommen durfte. Ich bin stolz auf mich, dass ich es ohne PDA geschafft habe. Und ich bin absolut untröstlich darüber, dass ich im OP so blöd behandelt worden bin und außerdem anscheinend ein Fehler im Kreißsaal passiert ist: ich denke, die Hebamme hätte den Wehentropf nicht so früh abdrehen dürfen. So habe ich eine atonische Nachblutung gehabt. Dass ich so lange nicht zu meinem Kind durfte, bedaure ich auch bis heute. Nora ist um 22:40 Uhr auf die Welt gekommen, auf die Station gebracht wurde ich etwa um 03:00 Uhr. So lange wusste mein Mann übrigens auch nicht, was mit mir los war. Er war alleine mit einem schreienden Neugeborenen, ohne jegliche Info.

    Ehrlich gesagt: ich habe zur Zeit keine Lust auf weitere Kinder und das liegt sicher auch an der Geburt. Ich verstehe jeden, der den Roman nicht lesen will. Für mich war es ein wenig heilsam und wichtig, den Schmerz in Worte zu fassen. Wenn du das Ganze trotzdem liest: danke dafür. :herz2:
     
  4. Niniel

    VIP

    Fühl dich umarmt.

    Es liest sich schon entsprechend und ich kann verstehen, dass du dir keine weiteren Kinder nach dem Erlebten vorstellen kannst. :hug:

    Wäre bei mir sowas geschehen würde mein Mann absolut verweigern. Für ihn war es schon schlimm, als ich vor Erschöpfung weggekippt bin.


    Alles Gute weiterhin :hug:
     
  5. Herzlichen Glückwunsch zu eurer Tochter.

    Es tut mir Leid was du/ihr durchmachen musstet. Dafür gibts nicht die richtigen Worte, ausser Verständnis für dich und deine Gefühle. Wurdest du mit dem Gewicht deiner Tochter überrascht oder war es vorher bekannt das sie so schwer sein wird?

    Trotz allem, versuch dir keine Vorwürfe zu machen. Nehme es an. Es ist leider viel schief gelaufen. Und ich verstehe dich gut da ich auch sehr unter einem Geburtstrauma litt!

    Alles Liebe euch
     
  6. kotuko

    kotuko Teilnehmer/in

    Mir fehlen die Worte..
    will aber nicht einfach so gehen:hug::hug::hug::huh:
     
  7. tiramisuuu

    tiramisuuu Teilnehmer/in

    Danke für eure lieben Worte.

    Mein Mann und ich sind beide groß und eher auf der schweren Seite, daher war ein entsprechendes Gewicht absehbar. Dass es dann doch 5,5 kg werden, haben wir aber alle nicht gewusst und auch nicht erwartet. Bei der letzten Untersuchung vor der Geburt war sie laut FÄ 3kg (+/- 0,5 kg) schwer.
     
  8. kirschzuckerl

    kirschzuckerl zurück aus d. sommerpause

    :hug::hug::hug::hug:

    mein gott, wie unglaublich tapfer du warst, ein wahnsinn! ich freue mich, dass du so eine wunderbare tochter bekommen durftest, aber das war auch das einzig schöne an der sache.

    diesen anästesisten möchte ich höchstpersönlich an den ohrwaschln vor die ärztekammer schleifen! was für ein immenser trottel!!!!! wie redet der denn? ich finde das unglaublich. ich bin richtig aggressiv, nur vom lesen.

    sag mal, haben die deine tochter gewichtsmäßig so falsch eingeschätzt, dass kein kaiserschnitt angedacht wurde? das müssten die doch eigentlich schon besser können heutzutage.

    ich versteh total, dass dir da die tränen kommen. ich hatte auch eine sehr traumatische erste geburt und kann dir sagen, dass das noch eine zeitlang so bleiben wird. irgendwann hat man es dann im kopf "abstrahiert", aber es gibt dann trotzdem noch trigger, die seltsame dinge bei einem auslösen. hast du jemanden zum reden? wie gehts deinem mann damit? der muss sich ja auch große sorgen gemacht haben!
     
  9. kirschzuckerl

    kirschzuckerl zurück aus d. sommerpause

    sorry, hab das mit dem gewicht jetzt erst gesehen. sich bei einem baby um 2,5 kilo zu verschätzen ist auch ein spezielles talent. ich bin echt schockiert.
     
  10. tiramisuuu

    tiramisuuu Teilnehmer/in

    Danke, danke, danke.

    Irgendwie habe ich immer das Gefühl gehabt, ich muss das halt hinnehmen, dass das so passiert ist. Und dass es ja eh wurscht ist, weil "Dem Kind gehts gut". Eure Meldungen tun gut!

    Ja, dieser Arzt war schon besonders speziell. :rolleyes: Ich mein, ich versteh, dass Chirurgie des nächtens ned lustig ist, aber in dem Moment hat mir das aber gar nicht geholfen.
    Mein Mann ist Weltmeister im Verdrängen. Aber wir haben im Wochenbett noch viel darüber geredet und er war in erster Linie für mich da, die da im Babyblues gefangen war... ich denk, mittlerweile hat ers verdaut.
     
  11. kirschzuckerl

    kirschzuckerl zurück aus d. sommerpause

    ich kann da wirklich so mit dir mitfühlen. ich hab grade gestern mit meinem mann wieder über "unsere" geburt gesprochen. und zwar darüber, wie schnell das umfeld das einfach verdrängt, weil es hilflos ist, weil lebensgefahr nichts ist, um das man sich noch kümmert wenn sie überstanden ist.
    zu dem zeitpunkt, wo man die guten gespräche bräuchte, bekommt man sie nimmer. und direkt nach der geburt, wenn alle noch ein offenes ohr haben, ist man selbst zu abgelenkt und schaumgebremst.

    natürlich ist es am wichtigsten, dass du und das kind wohlbehalten aus dieser geburt rausgekommen seid, aber das macht ja die geburt an und für sich keinen deut besser.
    ich dachte auch immer "nicht sudern, du bist fast gestorben, dein kind ist fast gestorben- sei dankbar und schau in die zukunft, alles andere behindert dich nur".
    sicher, man sollte es verarbeiten und dann irgendwo "abheften", wo es einen nicht im alltag behindert. aber das geht nicht alleine, das geht nicht sofort und das geht auch nicht in einem vorgegeben tempo.

    aufschreiben ist sicher gut. schreiben ist immer gut ;) vielleicht hilft auch ein gespräch mit freunden, verwandten oder einer neutralen person aus dem therapeutischen bereich. da reichen oft nur eine oder zwei sitzungen, um sich wieder zu ordnen.
    vielleicht ändert sich auch dein kinderwunsch wieder, wenn du das ganze aufgearbeitet hast. so ein mieses erlebnis sollte nicht die familienplanung bestimmen, da gibt es eine reele gefahr, dass du das irgendwann bereust.

    :hug::hug::hug:
     
  12. shamane

    shamane frosch-mami
    VIP

    :hug::hug::hug::hug::hug:

    oh mein gott! das ist ja furchtbar, was du bei der geburt deiner tochter erlebt hast! :)herz2:liche gratulation dazu)

    die geburt meines ersten sohnes war nicht annähernd so heftig und ich hab sehr lang gebraucht, dass zu verarbeiten. weil ich niemanden zum drüber reden hatte (wie du und kirschzuckerl so schön schreibt: kind da, gesund und alle leben). erst die hebamme in meiner 2. schwangerschaft nahm mich und meine gegühle ernst.

    du musst gar nicht hinnehmen, was dir damals wiederfahren ist! das du hier nach nur 10 monaten schon darüber schreiben und dich öffnen kannst, ist dein erster schritt, das erlebte zu verarbeiten, dich all deinen gefühlen zu stellen. ich wünsch dir von ganzem herzen weiterhin ganz viel kraft für diesen weg! :hug:

    danke für deinen mut zur offenheit.
     
  13. Minayla

    VIP

    meine güte. auf den tag genau heute vor 7 jahren ist meine große tochter zur welt gekommen und da hab ich auch hier rein einen bericht geschrieben - so bin ich heute hier gelandet.

    NIEMAND sollte so eine geburt erleben müssen. ich fühle wirklich bei jeder zeile von dir mit, es muss grauenhaft gewesen sein.
    und der anästhesist ... um ehrlich zu sein, würde ich da schon über eine beschwerde nachdenken. sowas geht einfach gar nicht. echt nicht.
    auch dass dein mann so lange uninformiert war ...

    ich bin in der glücklichen lage, dass meine geburt(en) nicht so traumatisch verlaufen sind, wenn auch nicht optimal - von daher kann ich dir zum thema geburt nicht so viel mitgeben, aber da hast du schon viel wertvollen input bekommen ...
    (eventuell noch geburtsbericht anfordern und mit der diensthabenden hebamme sprechen, falls es dir ein bedürfnis ist?).

    ich fühl mich dafür sehr angesprochen, was dein schlechtes gewissen das stillen betrifft. mein erstes kind konnte ich auf grund von schlechter beratung auch nicht stillen und hatte jahrelang massive probleme damit. erst beim zweiten kind hab ich auf sehr ungesunde weise kompensiert, was ich vermeintlich bei der ersten falsch gemacht zu haben glaubte.
    fakt ist: ein kind muss nicht gestillt werden. ich habe ein gestilltes und ein ungestilltes kind und sowohl krankheits- als auch allergietechnisch gibts keinerlei unterschiede. wichtig ist imho der körperkontakt, der kann aber über so viel andere kanäle erfolgen als über die bloße nahrungsaufnahme.
    ich weiß, dass du das rational wohl alles weißt, aber glaube mir - mach DIR keine vorwürfe wegen des stillens. versuch, die positiven seiten zu sehen ...

    ich wünsch dir wirklich, dass du das alles zeitgerecht verarbeiten kannst :hug:
     
  14. unfassbar, wie es Dir und Deiner Familie ergangen ist. Mir ist ganz schwindlig vom Lesen. Es tut mir wirklich leid was Dir - Euch da widerfahren ist. Ich fühle da auch ganz stark mit Dir.

    Ich kann mich den Vorposterinnen nur anschließen - hole Dir professionelle Hilfe zur Aufarbeitung.
    Und: Versuche so gut es geht einen Haken zu machen unter dem Thema Stillen. Das ist nur ein kleines Puzzleteilchen in der Babyzeit, Du weißt ganz bestimmt dass Du Deinem Kind so unendlich viel Nähe bieten kannst ohne dass es dabei an der Brust hängt. Du machst das alles hervorragend, da bin ich mir sicher. Aber lass Dir helfen. Reden, schreiben, ganz egal, Hauptsache du findest ein Ventil für Dich und Deine Sorgen.

    Alles Liebe zur Geburt Deiner Nora!:herz2:
     
  15. Dem schließe ich mich an, mir ist es auch so gegangen.
    Lass dir Zeit und nimm deine eigenen Gefühle ernst, das was du erlebt hast, war furchtbar, das Baby ist super, klar, aber das heißt nicht, dass dein Trauma dadurch geringer wäre. Lass das zu und versuch "durch zu gehen". Mir hat die nächste Geburt sehr geholfen, weil die wunderbar gelaufen ist, aber dafür muss frau erst bereit sein, denn es könnte ja wieder schlecht laufen, das Vertrauen wieder aufzubauen, das ist schwer. Ich wünsch dir, dass du offene Ohren findest und dass du mit der Verarbeitung gut voran kommst.
     
  16. tiramisuuu

    tiramisuuu Teilnehmer/in

    Ja, das mit dem Nicht-Stillen-Können bzw Nicht-Mehr-Wollen belastet mich sehr. Ich war durch die Geburt so verunsichert, dass ich gar nicht mehr auf mein Bauchgefühl gehört hab. Und immer wieder habe ich gesagt bekommen: "Das Kind ist so groß, das wird ned satt von der Brust, du musst zufüttern!"
    Die ersten ca sechs Wochen habe ich jeden Tag aufschreiben müssen, was sie getrunken, wieviel sie getrunken hat und wie viele Windeln sie voll gemacht hat. Weil sie sich nicht gemeldet hat bei Hunger, alle vier Stunden: Anlegen, Kind durchs Nuckeln an der Brust müde machen, ihr mit Ach und Krach noch ein paar ml Pre einflößen, dann selbst abpumpen, damit die Milch weiter kommt ... und dann das ganze Spiel wieder von vorn. Ah ja, und Gewichtskontrolle alle drei Tage, denn Nora hat recht schlecht zugenommen (was ich aber nicht für schlimm halte, sie war und ist ja immer noch groß und schwer).

    Nach sechs Wochen wollte ich einfach nicht mehr, ich war am Ende. Ich habe mich so ausgelaugt gefühlt.
    Als allererstes habe ich die Milchpumpe zurück gebracht und mir dann gesagt: "Wenn sie Muttermilch will, wird sie welche trinken." Und nach und nach ist es dann das Flascherl geworden. Ich hab versucht, es positiv zu sehen, dass mein Mann so auch involviert sein kann bei der Nahrungsaufnahme, dass ich etwas flexibler bin und sie nicht vollkommen auf mich angewiesen. Aber trotzdem habe ich einfach das Gefühl, ich habe es nicht geschafft, war nicht stark genug ... Obwohl ich mir extra eine Stillberaterin geholt habe und selbst die gesagt hat, ich soll das tun, was mir gut tut und nicht aus selbst auferlegtem Zwang uns beide durchboxen soll.

    Gott sei Dank war der Heilungsverlauf bei mir sehr schnell und unproblematisch, ich wüsste nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich auch noch Probleme mit der Dammnaht oder ähnliches gehabt hätte ...:eek:

    Danke jedenfalls für euren Zuspruch. Das hilft wirklich. Ich ärmel euch alle zurück! :hug:
     
  17. kirschzuckerl

    kirschzuckerl zurück aus d. sommerpause

    ich finde es mehr als beachtlich, dass du damals in deinem zustand nach so einer geburt überhaupt diese harten 6 wochen durchgehalten hast.
    durch den schlüsselbeinbruch hattet ihr sicher eine schlechtere ausgangslage. auch wurde sie ja erst stunden nach der geburt zum ersten mal angelegt. für beides kannst du nix. nicht immer lässt sich das ausgleichen, auch wenn man viel guten willen zeigt. und schlechte berater verderben dann alles noch zusätzlich.

    denk positiv, du hast 6 wochen gestillt, das ist auch was, eine gute basis. mach dich nicht fertig deswegen, das bringt ja auch überhaupt nichts. ist doch logisch, dass man in so einem fall irgendwann nimmer will- du hast das nicht aus jux und tollerei sondern mit verstand entschieden.
     
  18. wunschkind2016

    wunschkind2016 aka stella73

    ich musste weinen, als ich deinen bericht gelesen habe. und ich bin dir sehr dankbar fürs teilen - es ist so wichtig, diese erlebnisse transparent zu machen, auch wenn es manchmal schwer ist, darüber zu reden oder zu schreiben, es mit wildfremden zu thematisieren.

    was in der geburtshilfe oft abgeht, ist unvorstellbar und viele frauen werden mit "sei froh, dass dein kind gesund ist" oder "so ist nun einmal eine geburt" mundtot gemacht. neun monate lang wird der berühmte satz "eine schwangerschaft ist keine krankheit" fälschlich dafür verwendet, schwangere frauen zu leistungsfähigkeit in beruf und familie anzutreiben; dort, wo er eigentlich hingehört, kennt ihn kaum wer: ins krankenhaus. an den ort, an den frau meistens geht, um vertrauensvoll ihr kind zu gebären mit hilfe von erfahrenen frauen. respektvoll, selbstbestimmt, ohne druck und stress. in notfällen nahe genug dran an ärztInnen, die notwendige schritte einleiten können, wenn gefahr für mutter und/oder kind besteht. oftmals gibt man seine müdigkeit ab, wenn man als gebärende ins krankenhaus geht, man wird zur patientin, obwohl man eben NICHT krank ist. man bekommt das gefühl, selber gar nicht zu wissen, wie man ein kind zur welt bringt, dem eigenen körper nicht vertrauen zu dürfen und sich ausliefern zu müssen, weil man sonst dem baby schaden würde.

    alles muss schnell und effizient gehen und verzögerungen sind oftmals lästig und unangenehm und werden entsprechend behandelt. ich habe in den letzten jahren so viele geburtsberichte gehört und gelesen, bei denen es mir ging wie bei deinem. wobei das verhalten des anästhesisten schon wieder eine grenze sprengt, die mir vorher noch gar nicht bekannt war von dieser berufsgruppe. ich würde darüber nachdenken, das doch noch zu melden, falls du es nicht getan hast.

    es gibt so wunderbare spitalshebammen, viele von ihnen, ebenso wie es wunderbare ärztInnen gibt, denen würdige geburtshilfe so ein anliegen ist. es ist wie bei lehrerInnen, wenn ich das so sagen darf: man merkt sich nur die wirklich, die mist bauen und die anderen bekommen oftmals kaum ein forum oder eine chance. gleichzeitig dürfen oder sollen sie sich auch nicht kritisch über kollegInnen äußern, die diesen ruf hegen und pflegen, weil man ja solidarisch sein soll/muss.

    herzlichen glückwunsch zu deinem wunderbaren baby, das ja bald gar kein baby mehr ist. ich wünsche dir sehr, dass es dir gelingt, diese erlebnisse halbwegs zu verarbeiten und empfehle für eine eventuelle weitere schwangerschaft/geburt eine eigene hebamme. :hug:
     
  19. EinsGehtNoch

    EinsGehtNoch Teilnehmer/in

    deine zeilen haben mich sehr berührt. ich will sie nicht unkommentiert lassen.

    es ist der intimste moment im leben einer frau... und oft wird er derart ausgeschlachtet.
    du hast unglaubliches durchgemacht, allen voran mit diesem unsäglichen anästhesisten. aber auch das kristellern ist psychisch (und physisch) sehr brutal. du hast dich tapfer durch das mühlrad aus demütigungen, beleidigungen und falschen ratschlägen gekämpft, für deine tochter. ich denke, du weißt, dass du kein schlechtes gewissen zu haben brauchst; zumindest in der theorie. und auch, wenn du es jetzt noch nicht fühlst: es wird besser; irgendwann. ganz vergisst man ein geburtserlebnis ja nie, doch das muss man vielleicht auch gar nicht. ich wünsche dir einen ort, ein offenes ohr, an dem du deine geschichte anbringen kannst. so lange, bis du ohne schmerz darauf zurückblicken kannst.

    ein sprichwort mit auf den weg, das entgegen zu "hauptsache, gsund" vielleicht ein bissi positiver stimmt: was uns nicht umbringt, macht uns stärker!

    alles liebe!


    PS: ich wollte dir noch von meinem geburtserlebnis erzählen, jedoch nicht dafür deinen thread missbrauchen. ich hab es daher versteckt, damit deine gefühle nicht untergehen und du es lesen kannst, wenn DU dazu lust hast.

    meine erste geburt war sehr unangenehm und erniedrigend. meine zweite sollte besser werden. für mich war sie absolut schmerzlos. die hebamme hat jedoch durch ihre wirklich sehr unnötigen interventionen dafür gesorgt, dass mein sohn einen schlüsselbeinbruch und ein kephalhämatom davongetragen hatte. dabei war er nicht annähernd so schwer wie deine tochter... es war so, dass ich 16 tage über termin war und schlussendlich doch zur einleitung musste. oxytocin war das mittel der wahl und obwohl alles sehr gut voran ging, ging es der hebamme noch immer nicht schnell genug, weshalb sie mir gegen meinen willen die blase öffnete (sie tat, als wäre es bei einer mm-untersuchung versehentlich passiert, dabei hab ich genau gespürt, wie sie daran zog; im nachhinein hat sie zumindest zugegeben, dass es kein unfall war). natürlich folgte dann ein leicht schief gestelltes köpfchen, das auf den mm drückte, stärkere wehen verursachte und aufgrund dieser auch nicht mehr schön in form kam. sie zwang mich außerdem, am rücken liegen zu bleiben, obwohl ich aufstehen wollte. schlüsselbeinbruch und ein hämatom nach einer für mich schmerzfreien 70-minuten-geburt. hätte gern mit meinem sohn schmerztechnisch getauscht....
     
  20. neumond

    neumond Gast

    Es tut mir so wahnsinnig leid was du erleben musstest, du tapfere Frau. :hug:

    Meine erste Geburt war auch sehr demütigend und endete nach langem Kampf leider im Kaiserschnitt, ich hoffe die Mutter nach mir musste sich nicht auch so derbes, unmenschliches Geschwätz anhören wie du. Eine Schande wie wenig menschliche Qualifikation man offenbar braucht, um mit Menschen arbeiten zu dürfen und das in ihren verletzlichsten Momenten.

    Auch ich rate dir daher das nächste Mal zu einer lieben Hebamme, diese Frauen können unglaubliches leisten und Kinder teils auch besser einschätzen als jedes Ultraschallgerät. Und vor allem verliert eine gute (!) Hebamme dich als Mensch mit deinen Bedürfnissen nicht aus den Augen. Ich hatte im Krankenhaus immer das Gefühl als wäre ich nur noch eine Maschine von der man verlangte, dass sie funktionierte wie die Bedienungsanleitung es verspricht.

    Aber vorerst hoffe ich für dich, dass deine seelischen Verletzungen bald heilen können und die Freude über deine Tochter den Kummer verblassen lässt. :herz2:
     

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