1. piroska

    piroska Teilnehmer/in

    Vorweg, ich lese zwar gerne Geburtsberichte, wollte aber selbst nie einen (für andere lesbaren) schreiben, ich dachte, das sei mir zu privat. Gerade bei Geburten nach einem vorangegangenen Kaiserschnitt gibt es allerdings erschreckend viele Fehlinformationen, ich kann garnicht sagen, wie oft ich im Zuge meiner zweiten Schwangerschaft gehört habe „Waaaas? Ich dachte nach einem KS kann man keine normale Geburt mehr haben“. Daher mein Entschluss, meine Erfahrungen doch hier zu teilen.
    Schon vor meiner zweiten Schwangerschaft wusste ich, dass ich diesmal eine Hausgeburt haben wollte, denn eigentlich hätte ich das schon bei meinem ersten Kind gewollt, hatte damals aber zu viel Angst und dachte, das könne ich ja immernoch beim nächsten Kind machen. Der ungeplante Kaiserschnitt rückte diesen Traum zunächst in weite Ferne, da es aufgrund der sehr unklaren rechtlichen Lage nur sehr wenige Hebammen gibt, die bereit sind, Frauen nach einer sectio zuhause zu begleiten. Aber eben nur wenige und nicht keine….
    Im Oktober vergangenen Jahres bemerkten wir hocherfreut, dass ich schwanger war, genau 5 Jahre nach meinem ersten Kind sollte nun im Juli das zweite zur Welt kommen. Schon ging die Hebammensuche los… wir recherchierten, telefonierten, mailten, …. Und trafen schließlich drei Hebammen, die bereit waren, uns bei der geplanten HG zu begleiten. Wir entschieden uns aus mehrerlei Gründen für die „dienstälteste“ der 3 und freuten uns danach deutlich beruhigter auf die weitere Schwangerschaft und die Geburt. Zweimal kamen wir noch ins schwitzen, erst wegen einer vermeintlichen plazenta praevia, dann weil unser Kind sich mit dem Drehen in Schädellage Zeit ließ. Die Schwangerschaft verging wie im Flug, neben Großkind, Job, Umzug &Ausbildung blieb doch noch genügend Zeit für die Lektüre zahlreicher Bücher und Artikel zu den Themen Hausgeburt, Geburt nach Kaiserschnitt etc (ich habe einfach alles verschlungen, was ich zu diesen Themen in die Hände bekommen konnte, manchmal musste ich selbst über mich und meine in Ausbildung und Job erprobte Strategie, mir alles „anlesen“ zu wollen lachen. Es regte sich der leise Verdacht, dass das zwar ein probates Mittel in der Wissenschaft, in der Praxis aber nur die halbe Miete sein könnte… Der Umzug und viele viele Ikea-Aufbauanleitungen bestätigten diesen Eindruck übrigens)
    Letztendlich waren die letzten Kartons übersiedelt, der gefürchtete Geburtstag („Den teile ich SICHER nicht!“) des Großkindes vorübergegangen, das Kind richtigrum gedreht und wir zufrieden. Bis zum Geburtstermin war noch so viel zu tun, zu erledigen, zu schaffen; das alles ließ die Zeit vergehen wie im Flug.
    Der errechnete Tag x kam und mit ihm….nichts. Noch fand ich das entgegen meiner sonstigen Ungeduld nicht weiter schlimm, als dann aber zwei Tage danach auch noch eine Mordshitze einzusetzen begann war es das mit der Geduld aber. Die letzten paar Tage verbrachte ich vorwehend und grantelnd auf der Couch, auf Tageslicht reagierte ich ähnlich freudig wie meine LeidgenossInnen aus der glücklicherweise just am EGT startenden letzten Staffel True blood (ich schwöre, ich hab mich beim Kräuterbeetgießen im Garten selbst dampfen und brutzeln gesehen! Die Kräuter müssen selbiges unbemerkt auch getan haben, die sind leider hin!) Überhaupt, Vorwehen: sowas gemeines und lästiges! Die sowie der langwierige Schleimpfropfabgang versetzten mich schon vor dem ET in unnötige weil trügerische Alarmbereitschaft.
    An ET+5 schließlich kamen abends die lästigen Vorwehen wieder, diesmal zwar häufiger und regelmäßiger aber nur 10 Sekunden dauernd und daher vernachlässigbar. Wir schauten das Match Deutschland – Brasilien und ich fand es etwas frustrierend, dass die Deutschen in kürzeren Abständen Tore schießen als ich Wehen produzieren konnten. Nach dem 6:0 war mein Interesse dahin, ich ging wieder mal ein Heublumensitzdampfbad machen und danach in die heiße Badewanne. Nachdem auch das die Wehen nicht stärker beschloss ich, für heute aufzugeben und bewunderte beim aus der Wanne klettern die Brasilianer dafür, dass sie sich immerhin noch zu einem Tor aufraffen konnten. Meine Energie reichte kaum noch für den Gang ins Bett.
    Gegen zwei Uhr wurde ich munter. Autsch, Kreuzweh! Das kannte ich ja schon von Geburt Nr.1, wo ich dieses zweifelhafte Vergnügen 32 Stunden lang genießen durfte. Entsprechend wenig Anlass sah ich zur Eile, unsere Hebamme anzurufen. Nicht so mein Freund, den ich mit der Bitte, mir ins Kreuzbein zu drücken aufgeweckt hatte. Eine Stunde lang schrieben wir Wehenabstände und –Dauer mit und riefen dann unsere Hebamme an, die versprach, in einer Stunde da zu sein. Danach riefen wir den Freund, der zu Großkinds Betreuung bestellt war an – Handy aus, sehr super! Zum Glück war sein Mitbewohner erreichbar und weckte ihn, wir vereinbarten, dass wir ihn anrufen würden, wenn Großkind aufwachen sollte (er wohnt 3 Gehminuten entfernt), sonst wollten wir unter uns bleiben.
    Um 4 Uhr kam unsere Hebamme, die Wehen waren inzwischen recht heftig, ich konnte sie aber gut veratmen und sie waren immer noch recht kurz. Die Muttermunduntersuchung ergab: fingerdurchlässig. Etwas mehr hatte ich mir nach den vielen Vorwehen und den letzten beiden Stunden zwar erwartet aber noch war ich guter Dinge und schob die Gedanken an die erste Geburt, wo sich der Muttermund auch viiiiel Zeit ließ erfolgreich beiseite. Die Wehen wurden heftiger, ich ging in die Badewanne und bekam irgendeinen homöopathischen Feenstaub, der die Wehen länger dauern lassen sollte. Nach einiger Zeit wollte ich wieder aus der Wanne, die nächste Stunde veratmete ich die Wehen inzwischen prustend und tönend auf die Waschmaschine gestützt und schließlich kniend. Die nächste Muttermundkontrolle um 7 Uhr ergab 2-3cm. Ich war enttäuscht und ahnte schlimmes…. Meinem Freund gelang es aber, mich nochmal zu motivieren, unsere Hebamme massierte mir ein Zäpfchen in den Muttermund ein und ich hoffte, dass doch noch was weitergehen würde. Wir beschlossen, meine Mutter anzurufen, da Großkind normalerweise so ca um 8 aufwacht und wir mit ihr vereinbart hatten, dass die Betreuung übernehmen sollte, falls die geburt tagsüber stattfinden würde.
    Die Wehen wurden immer heftiger, ich war inzwischen sehr müde und entkräftet. Teils im Vierfüßler, teils über den Pezziball gebeugt kamen die Wehen nun in 3-4 minütigen Abständen und ich wurde immer lauter. Wundersamerweise wachte Großkind dennoch erst um halb 10 auf, meine Mutter war wegen des Morgenverkehrs und einer Baustelle immer noch nicht da. Ich hatte Sorge, dass mein Kind sich ob meiner Lautstärke trotz der sehr guten Vorbereitung mithilfe vieler Bücher und zahlreicher Gespräche zum Thema Geburt fürchten könnte aber diese Angst war umsonst. Wir kuschelten und redeten in den Wehenpausen, was mir aber sehr schwer fiel da ich mittlerweile sehr erschöpft war. Zum Glück kam 10 Minuten später meine Mutter mit Frühstück für uns alle, von dem alle außer mir etwas aßen. Mir war schlecht. Ich war froh, dass Großkind mit Oma zum spielen im Kinderzimmer verschwand, fast außer Hörweite.
    Die Wehen wurden noch stärker und sehr schmerzhaft, ich kam nicht mehr damit zurecht, musste mich übergeben und war langsam am Verzweifeln. Ich wusste, dass meine Kraft nicht mehr lange vorhalten würde. Die Muttermunduntersuchung um halb 11 ergab 3-4cm. Ich war erschöpft, entkräftet, traurig und enttäuscht. Mir war klar: so halte ich das nicht durch. Der Verdacht, die langsame Muttermundöffnung bei der ersten Geburt könnte nicht nur dem künstlich herbeigeführten beginn derselben und den zahlreichen unnötigen Eingriffen geschuldet gewesen sein (obwohl ich bis dahin sicher war, dass es daran lag!), sondern quasi System haben erhärtete sich. Ich verkündete meinem Freund, ins Krankenhaus fahren zu wollen um mir eine PDA legen zu lassen. Er zögerte, da davon nie die Rede gewesen war bzw ich das für mich ausgeschlossen hatte, ließ sich dann aber doch überzeugen, die Rettung zu rufen.
    Unsere Hebamme konnte uns nicht begleiten, was mir doch ein wenig Angst machte, ich verabschiedete mich von meinem Großkind und versuchte dabei, so tapfer und guter Dinge wie möglich zu wirken. Die Sanitäter kamen, waren unhöflich und uninformiert „Sie müssen liegen wenn der Muttermund schon offen ist!“ Kaum außer Hörweite des besorgten Kindchens wars dann auch mit meiner Beherrschung vorbei, abwechselnd kämpfte ich gegen Angst und Tränen und mit dem Impuls, dem Rettungsfahrer eine runterzuhauen. „Sie verwechseln Muttermund und Fruchtblase und wenn sie nochmal versuchen mich auf diesen Sessel zu setzen zuck ich aus! Ich G.E.H.E.!“ Auf der zehnminütigen Horrorfahrt ins St.Josef KH, wo ich mich sicherheitshalber angemeldet hatte weinte ich vor Angst vor dem, was auf mich zukam. Bei der ersten Geburt in einem anderen Krankenhaus war ich gedemütigt, bevormundet, überrumpelt, respektlos behandelt, für dumm verkauft und zum Kaiserschnitt genötigt worden. Diese Fahrt schien mir eine Art Vorhölle vor dem sich wiederholenden Inferno zu sein, ein bitterer Vorgeschmack auf die Fortsetzung des Horrors von damals.
    Im KH angekommen wurden diese Sorgen schnell entkräftet: alle hatten ein Lächeln für mich übrig, ein paar freundliche Aufbauende Worte, ein Glas Wasser, einen Scherz über den ahnungslosen Rettungsmann, der immernoch aufgebracht hinter mir herdackelte um allen von meinem offenen Muttermund und der Gefahr, in die ich mich durch meine aufrechte Position begab erzählte.
    Im Kreissaal empfing uns eine sehr junge, sehr freundliche Hebamme. Es kostete uns einiges an Überzeugungskraft, ihr klarzumachen, dass ich frisch im KH angekommen mit 3cm offenem Muttermund wirklich eine PDA haben wollte. Die Schilderung des bisherigen Wehengeschehens und mein wohl sehr erbärmlicher Anblick stimmten sie aber um (...)
     

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