1. selbstbest.geburt

    selbstbest.geburt Aktive/r Teilnehmer/in

    Die Hausgeburt meiner Zwillinge


    Ich verdanke es einem schicksalshaften Zufall, dass ich meine Hebamme kennen lernte.
    Ich war in einem Möbelgeschäft, da hörte ich eine Durchsage "die Hebamme ist im Haus". Als ich durchging sah ich eine Frau und sagte: "Sie müssen die Hebamme sein". Sie meinte "Ach, sieht man mir das an?" und ich "Ja, Hebammen sind ein eigener Schlag von Mensch!", und "Sie sind eine "Freie" Hebamme!". Sie meinte daraufhin: "Das nehme ich jetzt als Kompliment!". "Ja, das können Sie!".
    Wir haben dann nur ein paar Sätze gewechselt, aber da habe ich gewusst, sollte ich noch jemals schwanger werden, dann würde ich mich freuen, wenn diese Hebamme meine Geburt begleitet.
    Als ich in der 5 SSW meinen positiven Schwangerschaftstest in Händen hielt, galt mein erster Anruf ihr: Sie sagte: "Dann trag ich mir mal den Geburtstermin ein..."
    In der 7 SSW dann der Termin beim Gynäkologen, und welch eine Überraschung, ich rief meine Hebamme darauf hin gleich an, sie sagte: "Was, es sind zwei?" "Na, schau ma mal..."
    Sie sagte mir, dass ich mit ihr ja eigentlich nur Hausgeburten machen könnte. Aber mit Zwillingen waren wir auf der Suche nach einem geeigneten Spital, wo sie mich anstelle meines Mannes (es darf ja nur einer mit) begleiten würde.
    Auf der Suche nach einem geeigneten Spital wurde mir immer mehr bewußt, dass es sehr schwierig werden würde, eine selbstbestimmte und eingriffslose Geburt erleben zu dürfen. Ich hatte noch gut die Geburt meines ersten Kindes in Lainz in Erinnerung.
    Sie war geprägt von unnötiger Forcierung, Eingriffen ohne Aufklärung oder Informationen und respektlosen und untergriffigen Hebammen. Mir war nach dieser Geburt klar, dass ich so etwas nicht mehr erleben wollte.
    Bei einer Geburt mit Zwillingen schwanden meine Chancen auf eine interventionslose Geburt jedoch zusätzlich.

    Die Schwangerschaft verlief komplett komplikationslos.

    Eines Tages sagte mir A.: "Ich habe eine Kinderärztin, die uns bei der Geburt begleiten würde. Wir können deine Babys zu Hause auf die Welt bringen!".

    Und so kam es: 7 Tage vorm errechneten GT wache ich gegen 5.30 Uhr auf, und spüre, heute ist etwas anders. Ich gehe aufs WC und sehe den blutigen Schleimpfropfen.
    Ich schicke sicherheitshalber meiner Hebamme ein sms und informiere sie darüber.
    Bald darauf, von 0 auf 100, kommen die Wehen; mein Mann stoppt die Abstände, alle 2 Minuten. Er sagt: "Ruf die A. an!" Kurz darauf sind beide Hebammen da.

    Die Wehen sind sehr heftig, ich habe es nicht mehr aus dem Bett geschafft und kann sie nur mehr im 4-Füßler Stand ertragen.
    Ich sage noch zu meiner Hebamme A.: "Ich vermisse die Endorphine!" Sie sagt: "Die hast Du schon längst..."

    Die Wehen bleiben so heftig, ich frage A., "bin ich noch in der Eröffnungsphase?" Sie sagt: "Schon lange nicht mehr!" Ich bin erleichtert, die Bestätigung zu haben, dass die heftigen Wehen auch einen Geburtsfortschritt mit sich bringen.

    Das nächste, was ich bemerke, ist, wie A. eine Unterlage unter meinen Bauch herrichten. Ich verstehe zu diesem Zeitpunkt die Bedeutung nicht. Auf einmal, platsch, die Fruchtblase platzt und mein erster Junge plumpst aufs Bett.
    Er ist da, um 8 Uhr 58, so heftig die Wehen waren, so schnell wurde er geboren!
    Geboren mit der Glückshaube, werden sie mir später sagen!

    Die Fruchtblase von meinem zweiten Kind muss gleichzeitig geplatzt sein, die Wehen bleiben in einer Tour heftig und es geht weiter, ohne Verschnaufpause.

    Die Kinderärztin kommt mit meinem ersten Sohn im Arm ins Zimmer, erst jetzt realisiere ich, dass sie irgendwann gekommen sein musste. Sie meinte: "Er rebelliert schon, er will zur Mama!" Ich denke mir noch, eines nach dem andern...

    Langsam verläßt mich der Mut und die Kraft. Ich verstehe nicht: Wo bleibt das zweite Kind?

    A. fragt: "Soll ich mal schauen, ob das zweite Kind richtig liegt?" Ich bejahe. Sie schaut nach und bestätigt: "Es liegt richtig".

    Ich sage zu meinen Hebammen: "ich kann langsam nicht mehr, mir geht die Kraft aus, ich brauche euch jetzt!"

    A. muß meine aufkommende Verzweiflung verstanden haben, sie sagt mit ruhiger Stimme: "Hast Du das Gefühl, die richtige Geburtsposition für Dich zu haben?" Ich bejahe sofort, es kam ja auch das erste im 4 Füßler Stand, und nur in diesem waren die Wehen für mich aushaltbar.
    Aber es stimmt, ihre Worte haben Wirkung gezeigt, ich mache mich auf die Suche nach einer anderen Position.
    Ich höre die Stimme von ihr, die Bestätigung: "Ah, du brauchst Boden unter den Füßen?"
    Das ist es, Boden unter den Füßen! Dann suche ich die Hocke, strecke einen Fuß zur Seite, und klammere mich ans Bettgestell. Ich merke, wie meine Kraft beim Pressen Wirkung zeigt! Ich drücke mit aller Kraft, so erleichtert und gleichzeitig verzweifelt bin ich. Ich spüre, dieser Kopf ist viel größer, er dehnt meinen Damm. Ich höre B. sagen, wohl besorgt um meinen intakten Damm: "Nicht so hastig, sanfte!" Aber ich will nur dieses Kind geboren wissen. Ich kann sehen, wie der Kopf hervorlugt und sich alles um ihn schlingt. Die Wehe ist vorbei, aber ich presse weiter. Dann ist er endlich da, in einem Zug geboren.
    Da liegt er vor mir, am Boden, ein nackter Körper, nach weiteren 1 Stunde 20 Minuten...

    Ich will keine Wehen mehr, ich wehre mich innerlich dagegen, sie waren fast 5 Stunden lang so unglaublich Kräfte raubend. Aber die Plazenta fehlt noch. Ich bitte die Hebammen, meine zweiten Sohn abzunabeln, es passt nicht mehr für mich, ich spüre eine intensive körperliche Unruhe.

    B. möchte mir helfen, sucht meinen Bauch und möchte darauf drücken, damit sich die Plazenta löst. Ich sage verängstigt nur, "bitte nicht", und sie läßt ab. A. sagt: "Setz dich auf die Schüssel, und versuche mal ohne Wehen zu drücken". Und ja, da ist sie, sie plumpsen in einem in die Schüssel, dann doch so schnell und schmerzlos.

    Ich bin erschöpft, und ehrlich froh, dass es vorbei ist!!!!!!

    A. begleitet mich aufs WC. Sie sagt: "Ja, rutsch ein bißchen weiter nach vor, ja, ich sehe, keine Geburtsverletzungen!".
    Viel später erst ist mir bewußt geworden, dass mir diesmal die vaginale Untersuchung nach der Geburt mit diesen Löffeln erspart geblieben ist.

    Erst jetzt schaue ich meine zwei hübschen gesunden Babys an und realisiere, ich habe sie aus eigener Kraft zu Hause geboren, mit Würde und in Selbstbestimmung, und in einer ganz eigenen Intimität.

    Ich schreibe diese Geschichte nieder, weil ich Mut dazu machen will, auf die innere Stimme zu hören, Mut dazu geben will an die eigene Kraft im Zeitpunkt der Geburt zu glauben. Und jedenfalls will ich allen Frauen Mut dazu machen ihr Recht einzufordern, auf Selbstbestimmung, Wahrung der Intimität und gegen die Entmündigung.

    Ich wünsche allen ein schönes Geburtserlebnis, weil wir Frauen erinnern uns unser Leben lang an diesen Tag...

     
    selbstbest.geburt, 17. Februar 2014
    , Zuletzt bearbeitet: 17. Februar 2014
    Ama, oni, n-m und 35 anderen gefällt das. 38 Likes
    #1
  2. spacedakini3

    spacedakini3 Teilnehmer/in

    :love::love:
     
  3. morle

    morle Gast

    Wunderschön, danke für diesen Bericht! Und herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Geburt und deinen Zwillingen! :love:

    Und es stimmt, man vergisst diesen Tag nie, ich wünschte, ich hätte so eine tolle Hebamme gehabt und wünsche allen Frauen die das möchten, dass sie ihre passende finden.
     
  4. naturtrueb

    naturtrueb Teilnehmer/in

    schööööön! :love:

    herzlichen Glückwunsch zu den zwillis.

    etwas lässt mir aber keine ruhe: WARUM wird in einem möbelhaus eine Hebamme per durchsage angekündigt? :confused: :D
     
  5. Minnja

    Minnja Positive Birth Mami

    Echt klasse, dass es das heute wieder gibt. Finde ich einfach super. Mut und Freude pur! :love: Und sehr ehrlich, das gefällt mir auch.
     
  6. crazykeks

    crazykeks Glückliche 2fach Mama

    :love::love: herzlichen glückwunsch :herz2::herz2:
     
  7. soxy

    soxy Neugeborenenfotografin

    herzlichen Glückwunsch und danke für diesen wunderschönen Bericht. mir war es leider nicht bestimmt eine Hausgeburt zu erleben.

    alles liebe und kuschel schön :love:
     
  8. Wuschl

    Wuschl Teilnehmer/in

    herzlichen glückwunsch!
    :love:
     
  9. Varda

    Varda die Frau mit dem Essen

    http://www.ludwig.eu/de/aktuelles/Babytreffen/2 ;)

    @TE: Herzlichen Glückwunsch! :)
     
  10. Bambi17

    Bambi17 Teilnehmer/in

    Puh, jetzt ist mir grad ganz anders...ich lese eigentlich nie in diesem Unterforum, aus irgendeinem Grund hat mich die Überschrift angesprochen. "Meine Zwillingsgeburt - wer will das schon?" - ich wusste überhaupt nicht, was damit gemeint ist, wie das zu verstehen ist.

    Und dann las ich den Satz mit dem Möbelhaus, und wusste sofort, er die Hebamme ist! :)

    Ich hatte sie 2002 für mich ausgesucht, sie war 1 x bei mir zu Hause, doch dann hat sie sich am Knie verletzt und hat mich an eine andere Hebamme verwiesen. Mit der ich aber auch ganz super zufrieden war!!! :herz2:
    Trotzdem, immer wenn ich ihr Bild im Möbelhaus-Prospekt sehe, denke ich: wie wäre es mit ihr gewesen? :D

    Zufälle gibt's...
     
  11. n-m

    n-m ✨✨
    VIP

    Einfach nur toollll!!!:love:
    Danke für diesen schönen bericht.

    Alles liebe!:herz2:
     
  12. selbstbest.geburt

    selbstbest.geburt Aktive/r Teilnehmer/in

    Vielen Dank für das positive Feedback!!

    Meine Hebamme war - meines Wissens - nur einmal (und nachher nie wieder) in einem Möbelhaus in einer Babyabteilung (und nicht im Ludwig... ;)); das war eine Aktion des Möbelhauses für die Kunden, die in der Babyabteilung Dinge besorgen wollen, wahrscheinlich als Art Bonus für die Kunden, man kann ja gleich auch die Hebamme um Dinge in Babyangelegenheiten fragen... Die Durchsage deshalb, damit die Kunden auch in die Babyabteilung kommen, sonst hätte sie da ja niemand gesehen...

    lg
     
  13. selbstbest.geburt

    selbstbest.geburt Aktive/r Teilnehmer/in

    Wäre lustig, wenn es wirklich diese Hebamme gewesen wäre, allerdings ist sie in keinem Möbelhausprospekt abgebildet, sorry...

    Trotzdem schön, dass du eine schöne Geburt hattest!!
     
  14. Bambi17

    Bambi17 Teilnehmer/in

    Ach, oK, ich dachte auch an die "Ludwig-Hebamme". :eek:

    Alles Liebe dir und deinen Zwillingen!
     
  15. mamasya

    mamasya bald Zweifachmama

    Wahnsinns Geschichte, alle Achtung! Das stärkt meine Hoffnungen, dass ich nach meinen beiden evtl auch eine natürliche Geburt haben könnte!
     
  16. so schön:love::love::love::love: wunderbar!!
     
  17. Eos

    Eos Gute Reise, bewegte Frau!

    Wunderschön, herzlichen Glückwunsch! :herz2:
     
  18. stella73

    stella73 Gast

    was für ein schöner bericht. und ich versteh dich so gut. versteh jedes wort. nach der ersten geburt, die quasi ich selber vergeigt hatte, dem langen weg der aufarbeitung von den tiefsitzenden ängsten und hemmungen, stand für mich ganz extrem die selbstbestimmte geburt im vordergrund. ich hab damals ina may gaskins werk tag und nacht bei mir getragen quasi, obwohl ich mich anfangs so dagegen gesträubt hatte. auch dass ich eine hebamme wählte, brauchte überzeugungsarbeit (großartig in solchen fällen die damen des forums ;) ). aber als ich dann MEINER hebamme gegenüber stand. als sich die esten worte zum gespräch formten, da war es, als hätte es nie eine andere möglichkeit gegeben. und ihr verdanke ich es auch, dass meine zweite und eigentlich erste geburt so selbstbestimmt als nur irgendmöglich verlief, bis zur letzten sekunde hat sie mit argusaugen darüber gewacht. :love:

    und jetzt mal ganz ohne pathos: alter!!! zwillingsgeburt daheim!!! ja bistu!!!! :eek::D hammergeil!!!!
     
  19. selbstbest.geburt

    selbstbest.geburt Aktive/r Teilnehmer/in

    Verdanke ich auch meiner Hebamme, welch glücklicher Zufall, dass ich genau diese von Anfang an hatte, keine andere hätte sich das getraut!
    Ich glaube, es gibt in Österreich keine Zwillingshausgeburten, außer dieser!

    Vielen Dank für das positive Feedback, das bedeutet mir auch viel!

    lg
     
  20. Julia78

    Julia78 Vollzeitmama

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