1. piroska

    piroska Teilnehmer/in

    (...) Um 12:00 wurde mir eine sogenannte walking PDA gelegt, ich durfte aufstehen u konnte noch Wehen spüren aber nur noch sehr leicht schmerzhaft.
    Langsam beruhigte ich mich, begann, meine wild durcheinanderwirbelnden Gedanken zu ordnen. Also keine Hausgeburt. Nicht meine Hebamme, aber die hier wirkte auch sehr in Ordnung. Wieder ein sich nicht öffnen wollender Muttermund. Würde er noch aufgehen? Wie würde es weitergehen? Was, wenn er aufgeht? Wie soll ich dann die Kraft haben, diese Geburt zu beenden, ich war doch sowas von am Ende. Was, wenn er nicht aufgeht? Wie kann ich mich dann mit einem neuerlichen Kaiserschnitt abfinden. Die PDA verschaffte mir die notwendige Zeit und Ruhe, das alles zumindest anzudenken, mich auszurasten, etwas zu essen, zu dösen, mich mit meinem Freund zu besprechen, den ich jetzt erst wieder richtig neben mir wahrnehmen konnte. Dass er da war machte alles um so viel erträglicher! Alle meine wirren Gedanken sortierte er zu einem Plan A, B und C zurecht, alles schien lösbar und schaffbar. Der Muttermund wird aufgehen, du wirst es schaffen, aber dafür musst du dich jetzt ausruhen. Iss was, schlaf ein bißchen, atme mal tief durch.
    Die Zeit verging, ich war schon etwas weniger verzweifelt und erschöpft, eine zwischenzeitliche Muttermundkontrolle war zwar nicht gerade Anlass zum jubeln gewesen aber immerhin ging es langsam aber stetig weiter, und das fast schmerzfrei. Kein Vergleich zu den kräfteraubenden, verzweifelten vorigen Stunden. Um halb sieben spürte ich, dass die Wirkung der pda nachließ. Ich war noch nicht bereit – wofür eigentlich? Für keine der beiden Optionen, ich war mir sicher, noch zu geschwächt zu sein, um die Geburt schaffen zu können falls sich der Muttermund tatsächlich geöffnet haben sollte. Aber insgeheim glaubte ich daran nicht mehr. Für einen Kaiserschnitt war ich noch weniger bereit, ich hatte panische Angst davor.
    Um 7 Uhr kam unsere Hebamme um sich zu verabschieden- Hebammenwechsel! Auch das noch! Die war doch ganz ok, warum jetzt plötzlich eine andere? Hilfe, bitte nicht. Die „andere“ kam nur kurz rein, war im Stress und entschuldigte sich, sie sei gleich wieder da. Die Zeit verging, kurz vor 8 war von der pda endgültig nicht mehr viel zu merken. Ich betete insgeheim, dass sie nochmal nachdosiert werden würde, das würde mir noch zwei Stunden verschaffen, um mich mit meinem Schicksal abzufinden. Oder um Kraft zu sammeln und den Muttermund aufgehen zu lassen aber das wagte ich nicht mehr zu hoffen. Um 8 läuteten wir unsere Hebamme herein, ich bat sie, die pda nachzudosieren, weil ich wieder alles spüren konnte. Sie redete sehr freundlich und gelassen mit uns, versprach, gleich nach einer weiteren Muttermundkontrolle die pda nachzuspritzen und plauderte fröhlich weiter, belangloser smalltalk, was mich ungemein beruhigte. Wenn man über jobs und Wohngegenden tratschte, konnte ja schließlich nix aufregendes passieren, oder? Oder?? „So, die pda spritzen wir aber nimmer nach, da würd ma uns keinen großen Gefallen tun!“ „Was? Wieso nicht?“ Was war denn jetzt los? „Der Muttermund ist offen, bei der nächsten Wehe kannst du schon mitschieben probieren? Waaaas? Jetzt? Wie jetzt? Halt, stopp, das geht zu schnell! „Worauf willst du denn noch warten?“ fragt die Hebamme verschmitzt. Ja, worauf denn?
    „Und wenn ich das nicht schaffe?“ - „Du schaffst das!“
    „Und wenn mir mittendrin die Kraft ausgeht?“ – „Ich schlag vor, das überlegen wir uns dann. Jetzt versuchen wir mal, ein baby zu bekommen, ok?“
    Sie sagt das als würde sie mir vorschlagen einen Kuchen zu backen und irgendwie lässt das meine übergroße Ehrfurcht vor dem, was da auf mich zukommt schwinden. Ich spucke gedanklich in die Hände und los gehts. Die nächsten eineinhalb Stunden verbringe ich damit, zuerst bereitwillig auf die Vorschläge zu Positionen, Atmung, usw der Hebamme einzugehen; je weniger bereitwillig weil erschöpfter ich werde desto mehr werden ihre Vorschläge zu Anweisungen, dann zu Kommandos. Sie feuert mich an, gibt mir Mut, glaubt mir nicht, wenn ich sage, dass ich nicht mehr kann (bis ich nicht mehr sagen kann, dass ich nicht mehr kann weil ich die Luft zum Atmen und nicht zum Reden brauche in den minikurzen Pausen zwischen den Wehen) und als ich wirklich um keinen Preis der Welt mehr aufstehen kann obwohl ichs in der unglücklichen Sitzposition in die ich mich schnaufend in einer Wehenpause fallen hab lassen kaum mehr aushalte höre ich, wie sie meinem Freund Anweisungen erteilt, wie er mich aufzuhieven hat und wirklich, kurz später haben die beiden mich in die Senkrechte befördert. Der sofort zunehmende Druck nach unten gibt ihr Recht, es ist wohl wirklich besser so. Nach vielen, vielen Presswehen zwischen denen der Kopf immer wieder ein Stück zurückrutscht ruft unsere Hebamme nach Verstärkung. Eine junge Frau, die mir sofort sympathisch ist kommt herein und erklärt mir, dass ich mich in Halbsitzender Position an der Kante der Gebärliege an die anlehnen soll, „ich drücke dann zwischen den Wehen auf deinen Bauch, wenn das ok für dich ist. Wenn dus gar nicht mehr aushältst sagst dus mir, dann höre ich auf“. Ich sehe wie meinem bis dahin total ruhigen Freund die Gesichtszüge entgleiten, er schüttelt den Kopf, reißt die Augen auf, er – selbst Mediziner – weiß was jetzt kommt und langsam dämmert es auch meinem müden Hirn: Kristellern. Ich versuche ihn aufmunternd anzuschauen, was mir sichtlich misslingt, ich nicke der netten Frau hinter mir zu: ja, es ist ok für mich, das überrascht mich selbst. Die nächste Wehe kommt, aus irgendeinem Grund kann ich wieder stärker mitpressen als die paar davor. Ich spüre irgendwie, dass es jetzt wirklich bald geschafft ist. Die Hebamme ruft erfreut „Ja, so geht was weiter!“ Die Bauchdrückerin sagt „Sie macht das!“
    Ja, ich mache das, sie drückt zwar auf den Bauch aber niemals so fest wie ich es mir vorgestellt hätte. Zwischen den Wehen hält sie mit der Hand fest auf den Bauch, ich spüre den Unterschied zu den vorigen Wehen, richte mich weiter auf und sehe, dass der Bauch wie eine halbausgedrückte Zahnpastatube aussieht, oben ist er schon ganz leer. Das ist wohl die eigentliche Aufgabe der Bauchdrückerin denke ich und mir wird klar, dass ich den Rest, also während der Wehe selbst schaffen werde. Mit der nächsten Wehe schiebe ich stärker und länger, es hört irgendwie gar nicht auf, da spüre ich, dass der Kopf durchtritt. Es tut nicht weh! Das war der Schmerz, vor dem ich am meisten Angst hatte, und jetzt tut es nicht weh! Plötzlich der Schreck: oh nein, was, denns das schon war mit der Wehe? Im selben Moment fragt die Hebamme „Ist die Wehe vorbei?“ Nein, bitte bitte nicht denke ich und spüre im selben Moment erleichtert: nein, ist sie nicht. Einmal noch pressen, U hilft spürbar mit, ich hab das Gefühl, bei dieser letzten Wehe arbeiten wir alle zusammen, verblüfft spüre ich, wie unser Baby mit eigener Kraft mitarbeitet und dann ist sie da!
    Ich lasse mich nach hinten fallen, U legt sie mir auf den Bauch, da ist sie: unser Baby! Frieda! Wunderschön sieht sie aus, so groß und fertig, und so erstaunlich ähnlich ist sie J. als Baby! Nur mit vielen schwarzen Haaren, genau wie ich gedacht hatte. Ganz sauber ist sie, „sie schaut einfach aus wie ein nasser Mensch. Ein wunderschöner, nasser Mensch“ denke ich. Ich sage atmelos zu C „DAS ist die Frieda!“ wie oft haben wir uns versucht vorzustellen, wie sie aussieht und konnten es nicht. Und trotzdem ist da jetzt dieses Gefühl des Wiedererkennens statt dem erwarteten Gefühl des völlig Neuen. „Das ist die Frieda! Das ist unser Baby! Hallo Frieda!“ Ganz warm und schwer liegt sie da auf mir und ich sage „Hallo Frieda“ zu ihr, und sonst noch allerhand, ich, die ich es immer komisch fand, mit meinem Bauch zu sprechen, kann jetzt gar nicht anders, als sie direkt anzusprechen, einfach weil es mir so unpassend vorkommt, nur über sie statt mit ihr zu reden, jetzt wo sie so ganz DA ist.

    Und wie sie da ist! 4,2kg schwer und 54cm lang, die Hand hatte sie um den 36cm Umfang messenden Kopf gelegt und jetzt liegt sie da und ich würde sie am liebsten sofort J zeigen, was schwer würde, so schlafend bei Oma und Opa zuhause…
    Ich bin so überwältigt und glücklich und ja, auch müde, dass ich irgendwie nur die Hälfte von dem mitbekomme, was um mich passiert. Ich glaube, ich habe beim Nähen der beiden kleinen Labienrisse nicht viel versäumt und im Nachhinein bin ich auch froh, dass ich nicht mitbekommen habe, dass die Atemprobleme aufgrund des nicht schnell genug resorbierten Fruchtwassers in der Lunge nicht ganz so harmlos waren wie sie mir vorkamen. C, der sie nach nebenan zur Versorgung begleitet hat machte dankenswerterweise auch gute Miene zum nicht ganz so guten Spiel und bald (zumindest kam es mir so vor) brachten sie mir Frieda zum stillen zurück, was sie sofort sehr kräftig tat. Dass selbst danach noch einmal kurz ein Transfer in ein KH mit Neo im Gespräch war hab ich zum Glück auch nicht mitbekommen. Wir mussten die Nacht jedoch im KH verbringen und konnten nicht wie geplant ambulant heim, F durfte jedoch bei mir im Bett schlafen und C fuhr um 3 Uhr morgens schließlich völlig erschöpft nach Hause. Am nächsten Morgen durften sich die beiden Geschwister endlich kennenlernen: Liebe auf den ersten Blick! Dann gings endlich nach Hause, wo ich seither fassungslos beobachte, wie viel schneller die Regeneration diesmal nach der Spontangeburt im Gegensatz zum KS vor 5 jahren voranschreitet. Allzuviel Zeit hab ich aber nicht, um mich darüber zu wundern, da ich meist zu beschäftigt damit bin, fassungslos vor Glück und dümmlich grinsend meine wunderbaren Kinder und meinen unglaublich tollen Freund zu bestaunen. Und ja, manchmal auch damit, gegen Müdigkeit und Saustall und stillbedingten Heißhunger anzukämpfen. Und manchmal, wenn alle Mittagsschlaf halten tipp ich eben doch einen Geburtsbericht.
     
  2. Wuschl

    Wuschl Teilnehmer/in

    Herzlichen glückwunsch zur geburt eurer frieda :love:
     
  3. Herzlichen Glückwunsch zu eurer Frieda! :love:

    Was für ein wunderschöner Bericht! :herz2:
    Danke fürs Teilen!
     
  4. Sassenach

    VIP

    so ein schöner bericht, danke dir fürs teillen und herzlichen glückwunsch :):love:
     
  5. morle

    morle Gast

    Wundervoll, das habt ihr prima gemacht, ein toller Bericht! :love:
     
  6. Ricarda08

    Ricarda08 Teilnehmer/in

    vielen, vielen dank für deine schöne geschichte. mir rinnen doch tatsächlich die tränen runter weil ich mich selbst so wieder finde darin! alles gute u ihr habt es echt unglaublich toll gemacht!!!!!
     
  7. stella73

    stella73 Gast

    vielen dank für deine geschichte. ich war schon sehr neugierig, wollte aber nicht drängen. was für ein abenteuer. herzlichen glückwünsch! :love:
     
  8. Valentina

    Valentina Fortuna

    Schön! :love:
    Herzlichen Glückwunsch!

    Valentina
     
  9. ramonaflowers

    ramonaflowers zickenalarm!!

    Herzlichen Glückwunsch <3
     
  10. selbstbest.geburt

    selbstbest.geburt Aktive/r Teilnehmer/in

    Eine lange Geburt, du hast viel Durchhaltevermögen bewiesen!

    Hab mich sehr angesprochen gefühlt, als du über deine Ängste zur Anfahrt ins KH geschrieben hast, und über das Kristellern...
    Es musste eine gute Hebamme sein, weil sie dir die Option in Aussicht gestellt hat, dass sie aufhört, wenn es dir zu viel wird! Sicher nicht alltäglich!

    Herzliche Gratulation dazu, dass du es aus eigener Kraft geschafft hast, und zu deiner Frida!

    Toll!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
     

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